… Die im Lauf aufgegriffenen Wortfetzen, die seinen Puls zum Rasen brachten. Das hämmernde Geräusch der eigenen Schritte, die hart auf den Asphalt trafen. Kurz darauf die Wasserlache, die feuchte Luft – und der Geruch von Eisen, der sie schwer wie Parfüm tränkte. Das Gefühl vergeblich um Atem zu ringen, zu ersticken. Karmesinrote Schlieren, die sich durch das Wasser am Boden zogen. Fäden, die dem seidenen Faden des Lebens glichen. Ein taubes Gefühl. Eine Vorahnung, was geschehen war. Zu spät, es war zu spät. Nein, er war zu spät. Er war allein. Die Knie gaben nach und schlugen auf dem harten Boden der Realität auf. Am Ende: Schwärze. …
Schnell rein und schnell wieder raus, kein Verharren oder Festhalten. Er hatte eine ganze Weile nach diesem so instinktiven Satz gelebt, ohne seine Bedeutung zu hinterfragen. Das war schließlich nicht von Nöten gewesen. Reine Zeitverschwendung, wie Vergangenheit bewiesen hatte. Sich nicht in irgendeine Komplikation des Lebens hereinziehen lassen, sondern die Möglichkeit dessen durch simples Ausweichen außer Gefecht setzen. Leben an sich war etwas Triviales, nicht? Solange man die Augen im rechten Moment abwandte und der nächsten Sache zuwandte, war das Leben etwas furchtbar Berechenbares. Es konnte so einfach sein, wenn man es nur wollte. Loslassen, wenn man es wollte. Nicht, wenn man es konnte. Können konnte es jeder Einzelne, aber den Willen dazu aufbringen? Das wahre Problem war der Instinkt, der sich dagegen wehrte all die Sicherheiten aufzugeben, die das Leben zu bieten hatte. Nun – Er hatte losgelassen. Mit einem Lächeln auf den Lippen. Wieder und wieder, bis das Lächeln die Lüge durchbrochen hatte und zur Wahrheit geworden war. Er hatte Nichts mehr gefühlt, was ihn hatte festhalten lassen wollen.
Achtlos entglitt das Wegwerffeuerzeug den filigranen Fingern, ehe diese sich hoben und knapp auf eine Zigarettenmarke deuteten. Obwohl lediglich die Fingerspitzen aus den Ärmeln des Strickmantels ragten, besaß die Geste eine auffällige Präzision. Genau diese Eine, an genau diesem Ort, aus der Menge der Verfügbaren auswählen. Es war so einfach. Ganz so, als wäre es eine Alltäglichkeit für den zierlichen Koreaner. Sein Haupt legte sich kaum merklich schräg, während die Tankstellenangestellte der Innenstadt nach den Krebsspendern in dem Regal hinter ihrem Rücken griff, ohne dabei den Blick von ihm anzuwenden. In aller Ruhe ließ er seine Augen über die Gestalt wandern, so wie die ihren es taten. Er konnte es förmlich spüren, wie ihr Blick von dem widersprüchlich natürlich zurechtgelegten Haar, über die fein geschwungenen Augenbrauen, die mandelförmigen Augen und blassen Lippen glitt, hin zu dem entblößten Schlüsselbein und von dort über die restliche Designerkleidung an dem sehnigen Leib. Es war, als konnte er sich selbst in den Fenstern ihrer Seele erkennen. Ihr Blick wurde zu dem seinen, ob er es wollte oder nicht.
Den weichen, hellgrauen Strickmantel liebkosend, eine Vermutung über die schlanke Statur unter dem schlichten weißen Hemd anstellend und den Gürtel mit dem schlichten Verschluss untersuchend, der die Anzughose auf den schmalen Hüften hielt. Ein Sprung zurück, zu der Taschenuhr, von der lediglich die Kette vor der dunkelblauen Anzugweste zu sehen war. Ein weiterer Sprung, zu seinem Handgelenk und der Kette daran, sowie dem Ring, der an deren Ende baumelte und in exakt diesem Augenblick geräuschvoll auf den Tresen rutschte. Ein schlichtes Schmuckstück, das die junge Dame dazu brachte ein wenig enttäuscht das Geld aufzunehmen, welches der Erbe der Familie Park soeben vor ihr abgelegt hatte. Scheine, wie es zu erwarten gewesen war. Als wäre das Papier etwas, nach dem ihr der Griff im Stillen untersagt worden war … Nur anschauen, nicht anfassen.
Ohne ein weiteres Wort, nahmen die feingliedrigen Finger die Zigaretten und das Kaugummi auf, ehe man sich wieder abwandte. Ohne Eile richtete der Blick sich in die Ferne, zeichnete den Weg zum elysiären Boden vor, der kurz darauf eingeschlagen wurde. Mit einem Lächeln, denn das Leben konnte so einfach sein.