by Tae » 28 Dec 2013, 12:24
Melodie
„Hallo?“
„Ich bin es.“ Wer sonst?
Eine Pause. „Was willst du noch?“
„Ein Essen. Ein letztes, gemeinsames Essen.“ Du und ich, noch ein Mal.
Eine weitere, längere Pause. „Nein.“
„Warum nicht?“ Als wäre die Antwort unklar.
„Weil wir uns getrennt haben.“
Die Melodie war überall. Obwohl das Autoradio lief, in dem Restaurant eigentlich Jazz gespielt wurde und die Leute an den anderen Tischen angeregte Unterhaltungen führten. Es war immer die gleiche Situation und diese eine Melodie in seinem Kopf. Diese Melodie, die davon berichtete eine Beziehung zu beenden. Ein letztes Mal gemeinsam an einem Tisch zu sitzen, den Versuch unternehmend ein paar Bissen herunterzubringen und die belastete Atmosphäre zu ignorieren. Die Bitterkeit, die sich auf der Zunge und im Herzen fand. Die Erinnerungen an gute und schlechte Tage, bis schließlich allein Letztere zu überwiegen schienen. Fehler, die man am Anderen gefunden und nicht mehr länger hatte ignorieren können. Sie gaben den Rhythmus vor und der wurde schneller. So schnell, bis er einem rasenden Puls glich, der sich kurz darauf gänzlich verlor. Ruhe, es war vorbei. Sein Blick senkte sich, fand das bis zur Hälfte gefüllte Weinglas. Nicht ein Tropfen hatte den Weg, seine Kehle hinab, gefunden. Obwohl es sich um einen ausgezeichneten Wein handelte, der mehr als kostspielig gewesen war und ihr Glas bereits geleert worden war. In aller Eile hatte sie sich den erlesenen Tropfen die Kehle hinabgejagt, als versuchte sie damit die geteilten Erinnerungen wegzuspülen und Zeit gutzumachen. Wie gedankenlos.
Alles, was seine Gedanken hingegen beschäftigte, war diese Melodie. Ihre Worte perlten an seinem Gehör ab, wenngleich sie einst der Mittelpunkt seiner Gedanken gewesen waren. Einst war es Liebe gewesen, nun überwog Gleichgültigkeit. Die gelbliche Flüssigkeit auf dem Tisch schien ekelerregend. Den Blick konnte er dennoch nicht von dem Glas abwenden, während er begann es in seinen Fingern zu wiegen. Hin und Her. Auf und Ab. Chaotisch, so wie ihre Beziehung verlaufen war. Minuten verstrichen und das Essen wurde kalt, was ihnen am Anfang nie passiert wäre. Am Anfang hätten sie gegessen, dabei eine Unterhaltung geführt und unbeschwert gelacht. Sie hätten sich in die Augen geschaut, den Blick schüchtern abgewandt oder wären noch länger am Tisch sitzen geblieben, um Zeit zu gewinnen. Den Abschied hinauszögern, so wie die anderen Paare in dem Restaurant es taten. Und, jetzt? Jetzt schien die Zeit nicht vergehen zu wollen, das Essen wurde kalt und ein bedrückendes Schweigen herrschte. Er hatte genug. Genug, von Allem.
„Du wusstest, dass eine Heirat oder ein Kind von Vorneherein ausgeschlossen waren.“
Es machte keinen Sinn dem bitteren Ende auszuweichen. Tonlos wurde das Weinglas wieder auf dem Tisch abgesetzt, ehe die Finger zum Silberbesteck griffen und dieses anhoben. Jeder Bissen schien unmöglich, getränkt vom Gift der Atmosphäre und doch erfolgte der erste Schnitt. Blut lief aus den Poren des Steaks, verteilte sich auf dem Weiß des Porzellans. Das systematische Ausbluten begann.
„Tae. Diese Frau – Wirst du der Heirat zustimmen?“
Ihre Stimme klang schwach, als wäre sie krank oder als hätte sie in den letzten Nächten kein Auge zu tun können. Hatte sie schon immer derart schwach geklungen? Er hatte ihre Stimme kräftiger, lebhafter in Erinnerung gehabt. Sie hatte ihn einst an eine andere Zeit erinnert, an eine fröhlichere Zeit, die schon weit in der Vergangenheit zurücklag. Warme und lebhafte Tage. Er legte das Messer aus der Hand, ließ die Gabel folgen und stellte den Blickkontakt her.
„Das hängt von der Höhe der Mitgift ab.“
Ehrliche Worte, während in seinem Kopf Zahlen auftauchten. Es waren nur wenige Prozente die fehlten, um in den Kreis derer zu gelangen, denen man keinen Wunsch abschlagen konnte. Nur ein paar Prozente, die ihn davon abhielten den Einfluss seiner Familie abermals zu erweitern. Auch wenn es nicht von Nöten war, so fühlte es sich dennoch richtig an. Er tat das, was seine Familie von ihrem Erben erwartete. Das, was er selbst in Zukunft als das Richtige betrachten würde. Etwas, das er für sich selbst tat und das Anderen ebenso gefiel. Ja, aber vorher galt es Altlasten loszuwerden. Wann hatte ihre Liebe ihre Bedeutung, ihre Wärme und ihren Wert, verloren? Sie war kalt, wie das Essen auf dem Tisch. Kalt und irgendwie halbherzig, wie diese Melodie.
„Wo warst du in der Nacht? Der, vor unserem Tag? Bei dieser Frau?“
Er wollte sich schuldig fühlen. All den gemeinsamen Erinnerungen zu Liebe, den guten Tagen und gemeinsam verbrachten Momenten. Es gelang dennoch nicht, so sehr auch nach dem Funken Schuld suchte, den ihre kraftlosen Worte hatten heraufbeschwören wollen. Ein Nicken war alles, was blieb und die Fragen mit Schmerz strafte. Er war bei ihr gewesen, der Anderen. Ihre Augen wurden feucht, nur mühsam gelang es ihr Tränen zurückzuhalten. Diese schönen Augen, die in seiner Gegenwart einst gestrahlt hatten und in denen er sich so oft verloren hatte. Er hatte diese Augen geliebt. Obwohl sein Körper hätte aufschreien sollen, jede Faser zu ihr streben wollen, rührte er sich nicht. Der Tisch schien unüberwindbar. Seit wann, hatte eine solche Distanz sie getrennt? Seine Muskeln fühlten sich taub an, wie auch sein Herz, welches bei ihrem Anblick nicht erweichen wollte. Die Melodie mutete plötzlich monoton an, einem Klagelied gleich. Am Anfang musste sie einmal leicht und mitreißend gewesen sein, doch konnte er sich nicht daran erinnern. Alles, was blieb, war dieses letzte Aufbäumen vor dem Ende. Dieses letzte Essen, diese eine Melodie, die sie beide schon zuvor gehört haben mussten.
Er blickte auf und in die Augen von einem Anderem. Ihm.
Wieder war diese Melodie in seinem Kopf, beherrschte seine Gedanken und sein Herz, das nicht mehr schlagen wollte. Weitere Trennung belastete die Atmosphäre, doch dieses Mal schienen die Rollen vertauscht. Kein Herz schmerzte, aber es fiel der einen Seite schwerer Abschied zu nehmen, als der anderen. Falk ließ los und seine Hand wollte sich um das Messer krallen, daran Halt suchen. Kalter Stahl, der sich durch das tote Herz des Gegenübers schieben wollte. Es ausbluten lassen wollte, um damit die eigene Freiheit zu erkaufen … Aus Liebe und einem Hauch Eigennutz. Seine Lippen zeigten ein Lächeln, welches im Stillen von der anderen Seite des Tisches erwidert wurde. Man wusste eben, was dieser letzte gemeinsame Moment und diese Szenerie bedeuteten. Sie waren Ausdruck der einzigen Arten der Liebe, die den beiden Raubtieren vertraut war – Hassliebe, Eigenliebe …
왕관을 쓰려는자, 그무게를 견뎌라. The one trying to wear the crown, must bear it's weight.
"The scariest thing in the world? Money.
Even so - If there's no greed, then there's no fear."