Ruhig sind ihre Schritte, die sie in den Festsaal führen und nur leicht bewegt sich das
Abendkleid aus fließendem Seidengeorgette, das dafür geschaffen ist im rauen Wind zu stehen und sich von dem Element davon tragen zu lassen...und sich gegen das Element zu stellen. Eine Schulter frei, über die Andere liegt die in sorgfältiger Handarbeit vernähte weiße Bahn und fließt im Rücken hinab in eine Schleppe, die ebenso lang ist, wie der blutrote Saum des Kleides, der den Boden küsst. Von diesem Blutrot gleitet es hinauf, in einem Farbverlauf zu dem hellen Weiß, das in ihren Schritten, ihre Schenkel umschreibt. Doch viel Raum bleibt nicht für diese Helligkeit, denn das Schwarz scheint ihre Mitte erfasst zu haben, im festen Griff umklammert es eng ihre Taille und gleitet hinauf und hinab, erneut in einem Farbverlauf, der sich gerade da, wo ehemals das Herz geschlagen hat auflöst und erneut im Weiß zergeht.
Und das Weiß wiederum ist umgeben dann mit diesen unzähligen Bildern ihrer Haut...ein Teppich aus Erinnerungen...kleinteilige Motive...Gesichter, Schlangen, Spinnen, Kronen, Beile, Körper, Totenköpfe, Anker, Fische, Rosen, Lotus, Windrose, Schiffe, Wellen, Kraken...geschmeidig aneinander gestochen, ergeben sie ein großflächiges Ornament, das sich um Knochen, Sehnen, Muskeln und Gelenke windet. Konsequent...will man meinen, die Haut zur Leinwand gemacht...und wenig gemein mit den hübschen, bunten, sauberen Tattoos, die sich in der heutigen Zeit etabliert haben. So gesehen...traditionell...mit teilweise dicken schwarzen Konturen gezeichnete Motive, mit der brutalen Eleganz der früheren, einfacheren Striche angereichert. Keine...Normalität, nicht Konform...auch nicht zu dem Bild der heute vorherrschen mag. Vielleicht tragen die zwischen die Bilder gelegten...Schriftzeichen...ihren Teil dazu bei, das Ornament, auseinander dividiert, als chaotisch...rebellisch und als sehr persönlich wahrnehmen zu müssen.
Schmuck trägt sie nicht und es würde wohl unweigerlich unter gehen in diesem Schwarz auf Weiß ihrer Haut, doch das Kleid...die ehemals weiße Leinwand...Rot als hätte es im Laufen den Saft des Lebens aufgesaugt...Schwarz als hätte die Nacht in ihr seine Finger durch ihren Bauch gestreckt und sich den Raum genommen und Weiß...so als hätte das alles noch nicht vollends überzogen was ehemals geherrscht haben mag...das Kleid trägt kleine Sterne aus winzigen in Rot und Schwarz und Weiß glänzenden Steinen und ihr Blick...aus diesen zur Mandelform gemahlten braunen Augen, trägt den Glanz mit, in einem warmen Ton, das sie lächelnd macht, auch wenn kein Lächeln da ist.
Ihre Haare sind sorgfältig zu einem seitlichen Scheitel geteilt und liegen auf der kalten Haut ihres Schädels und fügen sich, heute Nacht fügen sie sich, zu einem Knoten, der in ihrem Genick ruht. Im blassen Rot die Lippen, die schweigen, während ihr Blick aufnimmt...der Saal und zugleich sich fest saugt...da an dem dunklen Rot...da an dieser leuchtenden Gestallt...wie die kraftvolle Glut unter dem schwarzen Feuer, die sich entschieden hat den Mantel ab zu werfen und in der sengenden Hitze zu lodern...für...mich.
So ist es ein deutliches Innehalten...und fast ruckend ist es als sie ihren Blick zwingt weiter zu gehen zu den Anderen, die sich schon eingefunden haben...bis hinauf zu Michail...nur ein weiterer Blick, der länger ausfällt und keine Reaktion...in alle dem keine Reaktion bis auf die ihrer Augen, bis auf die ihres Blicks.
...Mögest du klug werden und nie vergessen, nie verzeihen und nie verharren.