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Long journey


Long journey

Postby Jean Carpenter » 30 Nov 2014, 17:21

Die Nächte waren kalt geworden und Väterchen Frost hatte seine Spuren am Rande von Fensterscheiben und Dachrinnen hinterlassen. Kleine Tropfen waren zu Eis geworden und schienen in ihrer Regung wie für immer erstarrt zu sein – als könnte er das Leben beenden und damit die Zeit anhalten. Und so verhielt es sich auch mit der Toreador, wie sie vor dem nichtssagenden Gemeindehaus stand, bewegungslos und so bleich, als sei sie nur eine Statue im schwachen Wind. Es war schon viel zu spät, um davon auszugehen, dass sich im Inneren des Gebäudes noch etwas abspielte. Die Lichter waren erloschen und die Umgebung war still geworden.

Man mochte nicht wissen, wie lange sie dort verweilte, aber zumindest lang genug, um die nächste Veränderung mitzubekommen. Mit einem leisen Schlüsselklimpern und raschen Schritten vom Hinterhof trat ein Mann in Winterjacke und Wollmütze um die Ecke, atmete schwer in seinen gestrickten Schal und entließ ungesehen einige neblige Luftzüge in die Dunkelheit. Und gerade als er das offenstehende Tor passieren wollte, traf er unweigerlich auf die harrende Frau. Von kurzer Irritation ergriffen, reagierte er jedoch recht gefasst und zügig. Vielleicht, weil es nur eine Frau war. Eine Frau von dünner Statur und zu adretter Kleidung. Vielleicht, weil es seiner Natur entsprach. Vielleicht, weil er neugierig war. Vielleicht, auch von allem etwas. Er lächelte sogar freundlich, obwohl die Kälte sein Gesicht biss und eine rote Nase hinterlassen würde.

„Alles in Ordnung bei Ihnen?“ er hatte eine warme, aber akzentbetonte Stimme. Es fiel ihm nicht schwer, das Deutsche zu sprechen, aber die genauen Töne und Silben zu formen, die es so natürlich wirken ließen.

Auch Jean lächelte, nicht anders als für gewöhnlich auch, schwach im Hintergrund, bevor sie ihren Kopf ein Stück nachrückte. Der Fokus aus den braungrünen Augen wirkte hier nicht still, sondern ein Stück weit leer, verloren – vielleicht ein Grund mehr, nochmal nachzufragen.

Die Hand mit dem Bund sank herunter und er trat noch einen weiteren Schritt auf sie zu, ohne eine Form von Bedrängen auszustrahlen – viel mehr als wollte er ihr gut zusprechen, auf eine nonverbale Art und Weise.

Und der Schritt näher war es, der ihr Lächeln ein Stück intensivierte, der den linken Mundwinkel deutlicher anhob – ohne dass sie selbst von der Position gerührt hätte. „I was lost...“ begann sie ruhig, aber vielleicht mit einer etwas entrückten Tonlage. „....just lost in thoughts.“ Er musterte sie kurz, nickte dann aber wieder, wenig verwundert oder irritiert, als sei das hier nichts ungewöhnliches. Seine Antwort erfolgte in fließendem Englisch, die Betonung deutlich vertrauter und als ginge es ihm ebenso leichter von der Zunge.

„Maybe you should join our little community once in a while...then you could share your thoughts with us. Or you can just talk to me if you want to.“ offerierte er ihr und machte auch keine Anstalten weiterzugehen. Dies hier war seine Passion. Seine Bestimmung. Er wusste, wie er mit sowas umzugehen hatte. Jahrelange Erfahrung.

„I would love talking to you...“ und wie ihre Stimme gegen Ende ein Stück tiefer wurde, wollte man es ihr glauben, wie als sei da ein schwacher Nachdruck. „But it's late. Maybe...too late.“

Er sah kurz die Straße herunter, dann zurück zu der Fassade des Hauses. Er haderte mit sich selbst, etliche Sekunden, als wüsste er noch nicht, ob er ihr zustimmen oder ihr gegenteiliges anbieten sollte. Dann lenkte er den Blick wieder in ihr bleiches Gesicht. „It's never too late. You know what...we just go inside, have a nice cup of tea and have a little chat.“ damit deutete er schon in die Richtung, aus die er gekommen war, um ihr damit den Vortritt zu lassen.

Doch sie sah ihn nur an, ohne sich von der Stelle zu rühren. Unschlüssig wohl, das interpretierte er zumindest hinein. Sie war unsicher. Deshalb nahm er die gehobene Hand und legte sie sachte in ihren Rücken, als benötige sie die kleine Führung. Die Führung über die Schwelle, durch das Tor hinweg, hin zu dem Haus. Aber sie kam ihm nicht entgegen, rührte sie nicht. Nur der Kopf wendete sich noch eine Spur mehr zu ihm. Die linke Hand zog sich zusammen, drückte die Nägel in das eigene tote Fleisch der Ballen. Gleichzeitig war da etwas in ihren Augen, das niemand sonst sehen würde...
"Oh, the phoenix says
- Burn for me
The devil says
- Lie for me
The serpent says
- Beg for me
The siren says
- Die for me"
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Jean Carpenter
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