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Defende nos in proelio [Anna]


Re: Defende nos in proelio [Anna]

Postby Jean Carpenter » 18 Dec 2014, 19:15

Anna mochte sich vielleicht nicht daran erinnern, wann die Toreador den Schritt vor gemacht hatte, den, der sie dichter an sie heran führte. Dennoch würde sie verzögert bemerken können, wie sich die Distanz verringert hatte und die Engländerin nun direkt vor ihr stand. Dass der Höflichkeitsabstand damit deutlich überschritten war, das schien Jean nicht zu stören – und anscheinend war es ihr wohl gleich, ob es ihre Begleitung negativ ergriff? Zumindest war sie so frei gewesen, es einfach darauf ankommen zu lassen. Und so hob sie darüber hinaus noch ihre Rechte und führte sie zu der Dargebotenen der Ventrue, ohne den Blick aus den grünen Augen dabei von den Zügen dieser zu nehmen. Sie lächelte dabei eine Nuance weicher, versonnen in der Art, nur um von unten die kalten Kuppen an die Finger der Deutschen zu legen und diese dann nach oben hin einzuknicken, um die Innenfläche zu schließen. Das Feuerzeug wurde so wieder verschluckt von toter Haut, wenn auch noch immer nicht von der, der Besitzerin.

Ohne die Berührung dabei zu lösen, begann sie dann das Sprechen.

„Erzählen Sie mir davon.“ die Frage überging sie so, als sei es nicht irrelevant. War es für diesen Moment wohl auch nicht.
"Oh, the phoenix says
- Burn for me
The devil says
- Lie for me
The serpent says
- Beg for me
The siren says
- Die for me"
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Jean Carpenter
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Re: Defende nos in proelio [Anna]

Postby Anna-Lukardis von Egidy » 23 Dec 2014, 10:06

Wenn Anna eines nicht war, dann jemand, der übermäßige Nähe besonders schätzte. Das hatte sie zuletzt im Elysium ganz deutlich wieder bemerkt und im Nachhinein betrachtet war sie ein wenig stolz auf ihre Selbstbeherrschung. Und diese trat auch jetzt in den Vordergrund, denn einerseits mochte sie es überhaupt nicht, dass Jean näher gekommen war, andererseits konnte sogar sie dieses Spiel aus Nähe und Erinnerung daran, was man wirklich war, genießen. Vielleicht nicht ganz so sehr aber, wie die Rose?

Die Frage wurde einfach so übergangen und das Kribbeln auf der Hand war wieder da. Jean würde sich in den matten, braunen Augen kaum selbst erkennen, als wäre ihr Spiegelbild schon verschluckt worden, noch bevor sie in die dunklen Abgründe hinein gesehen hatte. Und die kleine Ventrue spiegelte sich dafür umso mehr in dem Glanz aus Grün.

Erzählen sie mir davon. Diese Aufforderung war eine kleine Zeitreise wert und kurz war Anna danach, zu fragen, ob man sich nicht setzen wolle. Aber vielleicht war diese Direktheit, diese Nähe, genau der richtige Rahmen für eine belanglose Erzählung wie diese. Belanglos für alle anderen, aber sicher niemals für Anna.


„Ich war ein Nachzügler und meiner Mutter war das wirklich nicht recht, denn alles, was sie Kindern an Kraft und Liebe zu geben hatte, hatte sie schon für meinen Bruder und meine Schwester aufgebraucht. Also ist sie bei meiner Geburt gestorben.“

Selbst die kräftige, kratzig-heisere Stimme konnte ruhig und bedächtig sprechen. Die Steine um sie herum drohten jedes einzelne Wort zu verschlucken, denn Anna flüsterte. Gab ein Geheimnis preis, das nicht weltbewegend war, aber eben sehr persönlich.

„Ich wurde im Schatten zweier erwachsener Geschwister aufgezogen und konnte mich nie mit ihnen messen. Dafür hatten sie mir viel zu viel voraus. Sie haben mir auch heute noch viel voraus. Zum Beispiel, dass ihre Namen existieren. In der Geschichte, meine ich. In speziellen Büchern. Im Internet. Meinen werden Sie nicht finden, außer auf einem Grabstein an der Ostsee, der langsam verwittert und dessen dazu gehöriges Grab schon lange nicht mehr gepflegt wird. Es gibt niemanden mehr, dem ich ein paar Blumen wert wäre. Für meine lebenden Verwandten bin ich einfach nur eine unwichtige Vorfahrin, die gestorben ist und keiner weiß, wie.“

Wenn man in Annas Stimme nach Bitterkeit, Leid, Trauer oder ähnlichem suchte, dann suchte man vergebens. Der Klang dessen, was sie da sagte, war lediglich noch etwas matter als sonst. Es war eine abgeschlossene Geschichte, die sie da erzählte und an die sie auch nur aus Zufall erinnert worden war. Eben durch einen Kranz, der ein Band hatte, das sie auf diese Gedanken stieß.

„Meine Schwester musste mich damals bei der Polizei als vermisst melden. Unser Vater war auch schon tot und unser Bruder ist im Krieg gefallen. Wirklich besorgt war aber nur meine Tante über mein Verschwinden. Ich glaube, meiner Schwester war es eher lästig, dass sie sich um die Formalitäten kümmern musste. Zwar hat sie darüber nichts gesagt, als ich sie Anfang der Neunziger noch einmal besucht habe, aber der Verdacht war einfach naheliegend. Stattdessen hat sie immer wieder meinen Namen gestottert und mir irgendwann erzählt, wie sie mich begraben haben.“

Anna sah jetzt nochmal kurz auf den Kranz runter und behielt den Blick auch da, während sie leicht verändert weiter erzählte.

„Wir hatten ja keinen Körper, nur die schreckliche Vorstellung davon, was mit Dir geschehen ist. Dass Du ermordet worden bist, wollten wir uns nicht vorstellen. Also gab es für uns nur die Erklärung, dass Du von der Klippe gestürzt und ertrunken sein musst. Und dass das Meer Dich nicht mehr freigegeben hat. Also haben wir Deine schönsten Kleider in den Sarg und die Puppe, mit der Du als Kind gespielt hast. Eiche. Er war aus Eiche. Ohne Schnitzereien, Du mochtest es ja schon immer lieber schlicht. Der Pfarrer hat so schön gepredigt. Oh, er hat von Dir erzählt, als hätte er Dich gekannt. Aber wer hat Dich schon gekannt? Einmal hat er aber Deinen Namen falsch gesagt, das war sehr peinlich und er hat es nicht einmal gemerkt. Zum Glück hat niemand gelacht. Aber es waren ja auch nicht viele da, die darüber hätten lachen können. Wir haben Dir einen grünen Kranz mit einer roten Schleife und vielen Lilien hingelegt. Rot war doch immer Deine Lieblingsfarbe. Dein Lieblingskleid hatte auch diese Farbe. Von den Reitern hast Du ein Gesteck bekommen. Es war nicht so hübsch wie der Kranz. Aber geweint hat niemand, nicht einmal Emmy. Schlimm war es für sie, als Du verschwunden warst. Aber als wir Dich dann für tot erklären mussten, war der Schrecken schon lange vorüber. Sie hatte sich damit abgefunden und das Herz war ja schon gebrochen. Erst wollte sie nicht zur Beerdigung kommen. Sie sagte, ich sei pietätlos. Aber ich musste Dich doch begraben. Sonst hätten ich den Familiensitz ja nie veräußern können, weil Dein Anspruch darauf ja noch vorhanden gewesen wäre.“

Die Wangen blähten sich etwas auf und Anna amtete lautlos aus, sah wieder zu Jean hoch. Sie sah so schrecklich gleichgültig aus. Hätte man sich nicht gewünscht, dass sie wenigstens jetzt Gefühle zeigte? Trauer, Wut, irgendwas? Stattdessen blieb alles, was sie vielleicht wirklich empfand so tief begraben wie die Kleider und die Puppe, die vermutlich schon längst verrottet waren.

„Meine Schwester starb eine Nacht später. Sie war fest davon überzeugt, dass ich ein Todesengel sei, der die Gestalt ihrer Schwester angenommen hat. Und weil sie sich so sicher war, hat ihr Herz eben einfach aufgehört zu schlagen.“
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Re: Defende nos in proelio [Anna]

Postby Jean Carpenter » 23 Dec 2014, 22:53

Während die Ventrue erzählte, hielt sich die Aufmerksamkeit der Engländerin zwar weiterhin auf ihr, aber die Lider dieser senkten sich ein Stück herab – als benötigte sie nicht mehr, als den schmalen Spalt, um genau zu sehen, was sie sehen wollte. Gleichzeitig zeichnete es ihre Züge ein wenig müder und nicht so streng, wo das Lächeln im Hintergrund bereits nachgelassen hatte – einfach wie ersetzt.

Und schon nach den ersten Zeilen löste die Toreador die Berührung wieder auf, langsam und ruhig, jedoch offensichtlich nicht als Anzeichen dafür, dass sie das Interesse verloren hatte, sondern viel mehr, weil es genügte. Es genügte, die Nähe schlicht aufrecht zu halten, um Anna zu betrachten. Ihre Pupillen lagen im Einklang mit dem grünbraun der Iris, die nun mehr ein sanftes Gemisch aus beiden Farben bildete – vermutlich weil durch den geringeren Lichteinfall alles ein wenig dunkler wirken wollte, als es war.

Ob bei der Geschichte irgendeine Emotion oder Gedanken ihr innerstes dominierten, zeigte sich wohl genauso wenig, wie bei der Deutschen selbst, denn keine Regung der Mimik wollte dafür sprechen. Weder fühlte sie mit noch schien sie amüsiert. Sie nahm es so hin, wie es gesagt wurde. Vielleicht war ihre Neugierde schlicht befriedigt und das war ihr genug. Dennoch schwieg sie über das Ende hinaus und würde die Worte noch nachhallen lassen, damit sie im eigenen Ohr noch hörbar blieben – länger als der Raum des Denkmals und die Stimme es könnten.

Dann trennten sich ihre dunkelroten Lippen, bildeten vorausgehend bereits das erste Indiz dafür, dass es nicht lange dauern mochte, bis Jean etwas verbalisierte – und doch floßen die Sekunden. Sie wirkte gar für einen Moment, als schaue sie durch die Ventrue hindurch, als nähme sie diese nicht mehr als solche wahr – oder hatte sie vergessen.

„Es gehörte einem Menschen, einer jungen Frau – um genau zu sein – für deren Ableben ich verantwortlich bin. Es war in den 30ern in den Staaten, in einem der verbliebenen Speakeasys. Das waren zu der Zeit meist Hinterräume in Lokalitäten oder privaten Häusern, wo alkoholische Getränke ausgeschenkt wurden.“ es klang zwar ein Stück weit erklärend an, aber doch dafür noch viel zu nüchtern – als das man meinen wollte, es sei eine für sie rührende Geschichte.

„In diesem Fall war es eine private Einladung. Und besagte Person war eine von einem etwas mehr als halben Dutzend anderer Menschen. Ganz ansehnlich und durchaus mondän erschien sie, wie sie mit ihrer Umgebung umging und Konversation betrieb. Im Laufe des Abends hatte es sich dabei herausgebildet, dass sie sich ausschließlich nur noch in meiner Nähe aufhielt und in ihrem angehenden Rausch nicht mehr bei vollen Sinnen war. Dabei hatte sie begonnen zu plappern und die eigenen Füße nur noch wacklig vor und zurück zu setzen, sodass offensichtlich sein wollte, dass ihre Grenze schon erreicht war. Aber sie hatte nicht aufhören wollen, vielleicht aus mangelnder Selbstbeherrschung, vielleicht aus Unachtsamkeit und vergangenen Ereignissen – oder einfach einem Gemisch aus allem zusammen.“ wie sie es sagte, erschien es nicht, als suche sie bis heute nach einer Antwort, sondern als läge sie ganz beiläufig eben Möglichkeiten dar, weil es eben passte.

„Durch ihr Verhalten und durch die Situation an sich, hatte ich so bereits jegliches Interesse für sie verloren. Sie war keine Herausforderung.“ ihr Haupt brachte sich von der leichten Neigung wieder in die Gerade zurück, verlor aber den Fokus für Anna nicht.

„Meine Seite verlassen, wollte sie jedoch nicht und ich ließ sie, warum – kann ich nicht einmal mehr genau sagen. Sie begann immer mehr von sich und ihrem Leben offenzulegen, die Schattenseiten und die Traurigkeit darin – als hätte sie irgendeinen Punkt als Anlass genommen, es eben mir anzuvertrauen. Sogar soweit, dass sie anfing in Tränen auszubrechen.“ kurz ging ihr Augenmerk mit dem Blick auf die Hand der Ventrue, welche den Gegenstand hielt.

„Und ich wollte, dass sie aufhört. Nicht, weil ich Mitleid empfand. Sondern eben, weil ich genau das nicht tat. Da war nichts. Mein Kopf, meine anerzogene, menschliche Moral sagte mir, dass es da etwas geben muss. Dass ich fühlen musste. Dass ich ihr etwas geben musste. Egal wie. Wenn es nur ein paar aufbauende Worte waren. Sie trösten. Und wenn es nur für den Moment war.“ sie lächelte hier leicht, wenn auch ohne großen Beweggrund dahinter, sondern nur wieder, wie gewöhnlich auch, um die Züge weicher zu zeichnen.

„Zu der Zeit gab es da für mich nur einen logischen Umkehrschluss, der beidseitig seinen Effekt haben sollte. Wenn ich es mache, dass sie aufhört, aufhört zu weinen. Weil sie nicht mehr daran denkt – denken kann. Weil sie zu sehr eingenommen ist von einem größeren, viel schöneren Rauschgefühl, habe ich sie getröstet. Im Gegenzug würde sie, würde ihre Erinnerung, ihr Blut mir etwas geben. Und sei es nur das eine Gefühl. War es doch ein Gefühl. Wie es sich ...gehört.“ kurz nur, dass sie innehielt, wohl um eine rhetorische Pause einfließen zu lassen und gleichzeitig die Lider wieder ganz zu heben.

„Ich sollte recht behalten. Da war etwas. Viel mehr, als ich erwartet hatte und ich ließ sie nicht gehen. Ich konnte nicht, weil ich nicht wollte.“ ein wenig, als wollte sie die vorherige Form der Erzählung spiegeln, schien es keine spektakuläre Geschichte zu sein, aber eben eine persönliche.

„Seitdem ist das Feuerzeug ein ständiger Begleiter, der mich an diese Geschichte erinnert.
Der mich an das Fühlen erinnert.“


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