Es erreichte auf selbigem Wege eine Antwort den Ventrue, die - so musste ein jeder aufmerksame Leser befinden - über alle Notwendigkeit hinaus verklausuliert worden war. Das Papier war sauber und ordentlich, beschrieben wohl mit einer Feder in geübtem Sütterlin und ganz nach alter Sitte gefaltet worden. Kein Briefumschlag, kein Kleber, nur der Bogen und ein schlichtes Siegel aus rotem Wachs.
Im krassen Gegensatz dazu die bescheidene Qualität des Papiers, das dünn, weiß gechlort und offensichtlich ein Massenfabrikat war.
Werter Herr von Creuzberg,
Kind des Joachim von Neumann,
Ancilla vom Blute Ventrus,
ich kann mir nicht anmaßen, für meine Geschwister im Blute eine Zusage auszusprechen. Gleichwohl will ich, in Anbetracht aller Umstände, Pflichten und Gegebenheiten, Ihrer freundlichen Bitte nachkommen und freue mich darauf, mein Blut zu repräsentieren.
Sie treffen mich am einundzwanzigsten November um einundzwangzig Uhr im Kaffeehaus Riquet, Schuhmachergäßchen 1.
Es sei Ihnen gleichsam zugetragen, welche Regeln dort eisern herrschen: Jene der Maskerade.
Es verbleibt,
Leopold von Schlüsselburg,
Primogenus Lipsiensis,
Kind der Elisabeth Förster,
Ancilla vom Geblüte Malkavs.
Als der kleine Abend gekommen war, war es recht herbstlich, aber noch nicht winderlich draußen. Nicht, dass man es der Fußgängerzone im Zentrum Leipzigs angesehen hätte, wo weder Baum noch Strauch stand, um den Farbwechsel anzuzeigen. Aber den Leuten, die in das Wiener Kaffeehaus kamen, denen war es anzusehen. Sie alle hüllten sich in eine Unmenge aus Schals, aus Mänteln, Hüten, Handschuhen, Strümpfen und Überziehern, sodass der dicke Altherr gar nicht weiter auffiel, der mit seinem altmodischen Mantel über der Stuhllehne in der kältesten und verlassensten Ecke des Hauses Platz genommen hatte.
Durch die altmodische Glastür mit ihrem goldenen R als Griff war er gemessenen Schrittes um zwanzig Uhr in das dunkle Interieur gegangen, hatte seinen Blick an den eichernen Stützbalken mit ihren Verzierungen, an den schlichten Schränken schwarzen Holzes und den ganz nach alter Art mit schwarzen Westen, weißen Schürzen angetanen Kellnern satt gesehen. Er hatte einen Tisch und diverse Süßigkeiten bestellt, sie jedoch wohl über der Lektüre...schlicht vergessen.
Einen silbernen Zwicker auf der Nase, über den er elegant herüberblickt und den er gar nicht zu benötigen schien, las er in einem abgegriffen, reichlich altmodischen Buch, eine beliebige, doch aktuelle, Tageszeitung neben sich. Dem Anschein nach war sie durchblättert worden, doch spätestens nach den ersten Seiten Politkommentar zu neuen Ländern im Osten Europas beiseite gelegt worden.
[Schreib mir doch eine Mail, wenn du mit mir spielen willst. :p Ich übersehe sowas doch.]
Der Mensch hat eine wahre Wollust darin, sich durch übertriebene Ansprüche zu vergewaltigen und dieses tyrannisch fordernde Etwas in seiner Seele nachher zu vergöttern.
- Friedrich Nietzsche