by Anna-Lukardis von Egidy » 20 Nov 2014, 14:04
„Herr Cooper, Hören und Verstehen waren schon immer zwei verschiedene Dinge. Nutzen Sie den Einsatz von Herrn Kasakow für Ihre Person und meine Zeit lieber nicht aus, indem Sie mir Behauptungen unterstellen, die ich so mit keiner Silbe getätigt, geschweige denn angedeutet habe.“
Der Tonfall war von Natur aus kühl und nüchtern, wie es schien. Und nun kühlten sich die Worte noch weiter ab. Höflichkeit in ihren Formulierungen, in der Intonierung ließ die kleine Ventrue zwar sicher nicht vermissen, nur schätzte sie offensichtlich keine Verdrehungen ihrer eigenen Worte, wie sie gerade ja auch verbal deutlich machte. Die kräftige, heisere Stimme war zwar nicht schön, aber sie konnte dafür so tief schneiden wie ein Messer. Und dabei passte sie so gar nicht zu dem dürren, hageren Körper der hageren Gestalt, die sich gerade Luft machte. Wobei die Lautstärke an sich gemäßigt blieb, nur die Art und Weise, wie etwas gesagt wurde, änderte sich gerade eben.
„Halten Sie den Sabbat tatsächlich für die einzige Gefahr für die Camarilla? Und unterstellen Sie mir gerade allen Ernstes, ich würde auch nur andeutungsweise von der Sicherheit sprechen, welche von unserer hochverehrten Majestät ausgeht? Oder dämmert es Ihnen am Ende vielleicht doch noch, dass es Gefahren gibt, die von innerhalb kommen können – von Personen wie Ihnen zum Beispiel, die das Potential haben, untragbar für die Camarilla zu werden, wenn der verheerende Mangel an Grundvoraussetzungen für ein Bestehen innerhalb unserer Gesellschaft und das fehlende Grundverständnis für unsere Strukturen nicht schleunigst behoben wird?“
Es waren allesamt rhetorische Fragen und so waren sie auch eindeutig hörbar formuliert. Und es war ja nicht so, als ließe Anna zu diesem Zeitpunkt Luft für eine Erwiderung. Da müsste man ihr schon grob ins Wort fallen. Unterdrückte Wut indes klang mitunter ziemlich verbissen, bei Anna war es aber etwas anderes. Eher Empörung, als wirkliche Wut. Dafür aber eine Zurechtweisung, wie sie klarer nicht hätte sein können?
„Ich kann jetzt nachvollziehen, wie Sie in Leipzig so schnell zu so einem schlechten Ruf gelangen konnten und warum man Sie als Bodensatz unserer Gesellschaft betrachtet. Es verwundert mich also nicht, dass Sie mich in aller Form beleidigen, indem Sie unerhörte Annahmen tätigen, wie die, dass Ihr Glaube in die Clans der Patrizier stärker sei als meiner. Es enttäuscht mich allerdings, immerhin habe ich mich bereit erklärt, Zeit in Sie zu investieren und das ist bei weitem keine Selbstverständlichkeit.“
Obwohl jeder der beiden anderen Neugeborenen sich denken konnte, dass Anna Martin sicher in der Luft zerrissen hätte, wenn sie es gekonnt hätte, wurde ihr Tonfall nicht noch kühler und auch nicht noch schärfer, geschweige denn etwa lauter. Sie hatte sich da offensichtlich gut im Griff.
„Sie haben das seltene Glück, dass ich jemand bin, der in der Regel noch eine zweite Chance einräumt. Aber nehmen Sie es sich mir gegenüber noch ein einziges Mal eine solche Impertinenz heraus, ziehe ich mein Einverständnis, Ihnen ein Jahr lang unter die Arme zu greifen, umgehend zurück.“
Zum Schluss hin verlor sich die Kälte wieder etwas aus ihrer Stimme und man könnte es so ausdrücken, dass die kleine Ventrue wieder ganz zu ihrer gewohnten Art des Sprechens zurückkehrte. Nur dass mittlerweile zu viel im Raum stand, als dass man hätte denken können, es wäre nichts gewesen.
„Ihr Glaube an die Camarilla, an die Traditionen und an unsere hochverehrte Majestät sind nichts, was auch nur ansatzweise optional wäre, geschweige denn etwas, das Sie in irgendeiner Form auszeichnet. Es sind Grundlagen, die schlichtweg vorausgesetzt werden. Werden Sie sich dessen endlich bewusst.“
Jetzt erst bewegte sich Anna mal wieder, wenn auch nur, um in Richtung des Ausgangs zu nicken.
„Sie dürfen sich jetzt entfernen.“
You can't teach an old dogma new tricks.