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Elysium: Winternächte (Offen)


Re: Elysium: Winternächte (Offen)

Postby Anastasija Minisov » 18 Nov 2014, 12:42

"Hm..."

Nachdenklich ruht der Blick der Rose auf den Zügen der Ventrue und es klingt fast glaubwürdig, dass sie für die Antwort wirklich überlegen muss. Für ungeübte Ohren zumindest.

"In dieser Geschichte geht es um einen jungen Mann, den man in gewisser Weise als Genie bezeichnen kann. Es handelt sich um einen Jura-Studenten, der aufgrund seines Genies exorbitante Leistungen vollbringt. Schnell gelangt er zu dem Schluss, dass er aufgrund seines überlegenen Intellekts in der Lage ist, das perfekte Verbrechen zu verüben, was er dann auch umsetzt. Interessant ist dabei vor allem, dass der Autor eine sehr überzeugende Innenansicht der Hauptfigur liefert. Er weist mit traumwandlerischer Präzision auf, wie nahe sich Genie und Wahnsinn stehen und wirft sehr interessante moralische Fragen auf. Zum Beispiel: Sind geistig überlegene Menschen ganz generell überlegene Menschen? Sollten sie die Welt regieren? Kann man mit einem Verbrechen einer gewissen Größenordnung überhaupt durchkommen oder zerfrisst es einen im Nachhinein innerlich, unabhängig davon, ob man erwischt wird oder nicht? Oder auch: Was macht einen normalen Menschen zu einem bösen Menschen? Vor allem letztere Frage gewann für mich eine ganz neue Bedeutung, als ich das Werk nach meiner Erschaffung erneut las."

Sie vollführt eine vage Handbewegung.

"Sie sehen also, es ist ein moralisches Buch und daher vor allem denjenigen zu empfehlen, die bestrebt sind, einen tieferen Einblick in die menschliche Psyche zu erlangen und die sich gerne mit moralischen Fragen konfrontieren."
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Re: Elysium: Winternächte (Offen)

Postby Anna-Lukardis von Egidy » 19 Nov 2014, 16:33

Keine Regung, kein Blinzeln. Letzteres wirkte in manchen Situationen sicher verstörend, gerade in einem so fahlen, kränklichen Gesicht, aber hier und heute war man ja unter sich. Dafür aber stieg das Interesse, bemerkbar an dem Blick, der einen Tick intensiver wurde? Oder einfach daran, dass Anna eben zuhörte und keinen Mucks machte? Anastasija hatte auch alle Zeit der Welt, um zu erzählen und als sie fürs Erste am Ende ankam, rang sich das hagere Wesen eine Art Lächeln ab, das ziemlich verkrampft in den Mundwinkeln hängen blieb. Trotzdem war es ein höflicher Zug, irgendwie.

„Eindeutig, ich werde das Buch lesen.“

Für ein paar Momente durfte die Stille die Gelegenheit nutzen, um sich wieder auszubreiten, dann wurde sie von der nicht gerade schönen, dafür aber heiseren Stimme wieder verdrängt.

„Wobei ich mich für die menschliche Psyche an sich gar nicht einmal so sehr interessiere, dafür aber moralische Fragen. Ich denke, keiner von uns kann sich auf Dauer dagegen wehren, sich selbst ein paar davon zu stellen, warum sich also nicht direkt damit beschäftigen?“

Das war nun eher Aussage, als Frage und so waren der Klang der Worte auch geformt.

„Sind Sie schon oft an die Grenzen Ihrer eigenen Moral gestoßen?“
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Re: Elysium: Winternächte (Offen)

Postby Anastasija Minisov » 20 Nov 2014, 07:39

Die Toreador erweckt nicht den Eindruck, als würde die völlige Regungslosigkeit der Ventrue sie irritieren oder gar verunsichern, im Gegenteil: sie scheint es recht ähnlich zu halten. Wo wäre es auch überflüssiger, die Scharade eines lebenden Organismus' aufrecht zu erhalten als im Elysium?

"Ich denke, man kann sich auf lange Sicht gegen beides nicht wehren; sowohl was das Stellen moralischer Fragen als auch was die Konfrontation mit der menschlichen Psyche angeht. Letztlich hat auf Wohl und Wehe eines Kainskinds nicht selten ein Mensch, oder gar mehrere, erheblichen Einfluss. Und jemand, der sich nicht eingehend mit der menschlichen Psyche beschäftigt, wird gewisse Gefahren vermutlich erst zu spät erkennen, zum Beispiel fremde Einflüsse. Die Vertiefung über ein bestimmtes Maß hinaus ist dann allerdings reine Kür, da stimme ich Ihnen durchaus zu."

Einen Augenblick lang kehrt Stille ein, dann fährt die ältere Dame aus Belarus fort.

"Ich habe festgestellt, dass meine eigene Moral deutlich flexibler geworden ist, seitdem ich nicht mehr in der Sonne wandle. Das hat den Vorteil, dass ich seltener an ihre Grenzen stoße, praktisch überhaupt nicht mehr. Der Nachteil liegt dafür auf der Hand, schließlich leiert ein Gummiband bei jeder Belastung ein wenig mehr aus. Ob er die Vorteile aufwiegt, ist eine der Fragen, der sich die Wissenschaftler und Philosophen unter uns wohl schon seit Ewigkeiten widmen."
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Re: Elysium: Winternächte (Offen)

Postby Anna-Lukardis von Egidy » 20 Nov 2014, 12:49

Die Toreador sprach ihre Gedanken laut aus und die kleine Ventrue nickte verstehend, hörte bis zum Schluss aufmerksam zu und ließ die Worte der Rose noch einige Zeit nachwirken. Während sie das taten, senkte Anna den Blick kurz auf ihre Hände, sah dann aber wieder zu Anastasija zurück.

„Das mit dem Einfluss des Menschen ist ein guter Einwand.“

Damit gab Anna offen zu, dass sie diese Sichtweise bisher noch gar nicht in Betracht gezogen hatte. Vielleicht ein Punkt, an dem sie irgendwann ansetzen würde.

„Haben Sie sich denn schon als Mensch für diese Thematik interessiert oder kam das erst danach, geboren aus der neuen Situation heraus, wenn man so will?“
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Re: Elysium: Winternächte (Offen)

Postby Anastasija Minisov » 20 Nov 2014, 17:22

Die Weißrussin legt einen Moment lang den Kopf schief und schüttelt dann den Kopf.

"Nicht besonders. In meinen sterblichen Tagen war mir nicht allzu viel Freizeit vergönnt, die ich zum Lesen solcher Büchr hätte verwenden können. Das kam erst sehr viel später. Vor meiner Wandlung zwar, aber nicht sehr weit davor. Und wie ist das bei Ihnen?"

Die Gegenfrage kommt ohne Verzögerung über die blass-rot geschminkten Lippen. Überhaupt ist alles an ihr sehr dezent gehalten. Beinahe züchtig.
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Re: Elysium: Winternächte (Offen)

Postby Anna-Lukardis von Egidy » 21 Nov 2014, 10:05

„Hm.“ sagte Anna als erste Erwiderung auf die Gegenfrage der Toreador. Ein Füllwort, dem dann aber schon gleich eine Antwort folgte.

„Bevor ich erschaffen wurde hatte ich ganz andere Sorgen, als die Psyche anderer Menschen oder Bücher. Außerdem waren Bücher teuer und meine Eltern investierten lieber mehr in die Bildung beziehungsweise Ausbildung meines Bruders, als in meine oder die meiner Schwester. Schließlich war unser einziges, vorgegebenes Lebensziel, eine gute Partie zu machen und dann ein paar Kinder in die Welt zu setzen. Wobei ich sagen darf, dass wir natürlich trotzdem eine vergleichsweise gute Schule genießen durften, aber das ging eben nicht sehr weit über die damaligen Grundlagen hinaus.“

Bitterkeit lag keine in ihren Worten, diese wurden einfach nur als schlichte Tatsachen geäußert.

„Ich habe aber nie geheiratet und habe auch keine Kinder. Stattdessen habe ich nach einem ewigen Hin und Her Pharmazie studiert und danach gearbeitet. Nicht sehr zur Begeisterung meiner Eltern, möchte ich hierzu sagen und ohne die Unterstützung meiner Großtante hätte ich das auch nicht machen können.“

Bei der Erwähnung ihrer Großtante hoben sich die Mundwinkel ganz kurz und hätten es fast geschafft, ein Lächeln zu bilden, wenn die heisere, kräftige Stimme nicht direkt weiter gesprochen hätte.

„Und als ich meiner Welt entrissen wurde, hatte ich viel zu lernen. Viele Aufgaben und Erwartungen zu erfüllen, auch nach meinem Freispruch. Also muss ich Ihnen gestehen, dass ich erst jetzt, wo ich gewissermaßen auf eigenen Beinen stehe, wirklich die Gelegenheit dazu finden, meine eigenen und persönlichen Interessen auszubilden.“
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Re: Elysium: Winternächte (Offen)

Postby Anastasija Minisov » 24 Nov 2014, 13:26

"Das ist ja keine Schande."

Die Antwort kommt der Toreador leichthin über die Lippen, während sie den Blick der Ventrue unverändert auffängt und erwidert. Das ewiggleiche offene, freundliche Lächeln liegt auf den dezent geschminkten Lippen, so wie eh und je.

"Mir erging es ja ähnlich. Auch wenn wir in unserem jetzigen Zustand eine größere Verantwortung tragen als vorher, so ist ein eher begrüßenswerter Nebeneffekt der Existenz als Kind der Nacht doch, dass man mehr Zeit hat, um sich zu entwickeln. Wie heißt es im Bhuddismus? Stillstand bedeutet Tod. Ich habe schon viele Kainskinder kennen gelernt und nicht wenige von ihnen haben diese Entwicklung nicht vollzogen, weil sie es entweder nicht konnten oder nicht wollten. Das waren die, die man ein oder zwei Mal im Elysium gesehen hat und danach nie wieder."
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Re: Elysium: Winternächte (Offen)

Postby Anna-Lukardis von Egidy » 27 Nov 2014, 09:49

Die Antwort der Toreador war jetzt nichts, was für Annas weiteren Weg von besonderer Bedeutung gewesen wäre, aber trotzdem hoben sich die Mundwinkel etwas, denn dass Anastasija sich so unverblümt äußerte, das gefiel Anna sehr.

Zu den weiteren Worten nickte die kleine Ventrue, sie sah da viele Parallelen zu ihrem eigenen Denken oder vielleicht auch einfach zum allgemeinen Gedankengut, was die natürliche Auslese junger Kainskinder betraf.


„Für viele ist es sicher ein schwieriger Prozess, überhaupt erst zu verstehen, dass sie sich auf der Stelle bewegen und dass sie sich damit selbst schaden. Und noch schwieriger ist es dann, etwas zu verändern.“

Es klang fast so, als hätte sie selbst auch schon den einen oder anderen kommen und gehen sehen. Jung war sie, ja. Aber eben nicht blind.

„Das ist sicher eine Gefahr, die auf uns alle lauert. Die Macht der Gewöhnung.“
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Re: Elysium: Winternächte (Offen)

Postby Anastasija Minisov » 29 Nov 2014, 13:21

Die Toreador schenkt der Ventrue ein zustimmendes Nicken.

"Da haben Sie Recht. Sowohl schwache Charaktere als auch zu starke Charaktere sind häufig von diesem Phänomen betroffen. Die einen unterschätzen sich, die anderen messen ihrer eigenen Person zu viel Wert bei. Beide Sorten sind sicher überall zu finden, wenn man lange genug sucht. In Leipzig zum Beispiel braucht man überhaupt nicht lange suchen. Man muss nur hier in den Heiligen Hallen sein und beobachten. Manche Kainskinder haben es allzu eilig damit, sich Feinde zu machen."
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Re: Elysium: Winternächte (Offen)

Postby Anna-Lukardis von Egidy » 05 Dec 2014, 10:11

Während die kleine Ventrue Zustimmung in Form eines Nickens erhielt, erhielt die Toreador nun einen fragenden Blick zurück.

„Sie klingen, als hätten Sie da jemanden ganz bestimmtes im Sinn, Frau Minisov.“

Wenn Anastasija gewillt war, auf die kleinen Details in Annas Intonierung zu achten, dann fiel ihr sicher auf, dass es so klang, als würde das hagere Wesen bereits ahnen, welcher Name allenfalls fallen könnte.
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