In diesen Heiligen Hallen... (Quasim)

[Gregor]

Wieder einmal hatte die Nacht ihren dunklen Schleier über die Domäne gelegt und damit die Macht der Sonne gebrochen, welche totes Fleisch darin hinderte, erneut auf Erden zu wandeln. Es war eine ruhige Nacht, das Wetter moderat.

Gregor hatte sich bereits früh auf den Weg ins Eylsium gemacht. Adäquat gekleidet wie immer, trug er einen grauen Dreiteiler, ein gestreiftes weißes Hemd und eine extrabreite Krawatte, auf der burgunderrote und schwarze Streifen ein Muster ergaben. Von ebendiesem Burgunderrot war auch das Einstecktuch, welches perfekt drapiert in der Anzugtasche platziert war.

Es war sein zweiter Besuch im Elysium. Die erste Erfahrung war noch frisch und der darin aufgekommen Bruch in den Reihen seines Clans schmerzte. Nur vereint konnte der Clan seine Pflicht erfüllen und der Camarilla Prosperität und Sicherheit garantieren. Doch dieses war ein anderes Thema. Diese Nacht sollte dazu dienen, den elysiären Boden zu erkunden. Diese Heiligen Hallen, welche Ihren Ursprung im Wirken des Königsclans während der Antike hatten und deren segensreiche Idee es bis in diese Zeit geschafft hat. Er wollte sich vertraut machen mit der Örtlichkeit.

So ging er ruhigen Schrittes umher in diesen Heiligen Hallen.

[Quasim ibn Sabah al-Ghazi]

Der großen Halle, auf die man von der Galerie einen hervorragenden Blick hatte, näherten sich plötzlich Schritte. Sie waren nicht hektisch oder auch nur eilig, sondern im Gegenteil beinahe gemächlich. Der Mann, der die dazu passenden schwarzen Lederschuhe trug, war ebenfalls in einen Anzug gekleidet, allerdings in einen schwarzen. Und es war auch kein Dreiteiler, denn die Weste fehlte. Stattdessen konnte man ein auberginefarbenes Hemd mit einer lila-rosa-weiß-karierten Krawatte im Schlitz erkennen, den das Jackett übrig ließ. Der Rest des Mannes schien aus sonnengeküsster Haut zu bestehen. Ihm war die arabische Herkunft deutlich anzusehen: schwarzes, kurzes Haar, Augen, die eine fernöstliche Schräge aufwiesen, eine Nase, die nicht zu den kleinsten und unauffälligsten gehörte und Augen, die entweder reh- oder haselnussbraun waren. Oder etwas dazwischen. Die rechte Hand umfasste den Knauf eines Spazierstocks, dessen regelmäßiges 'Tock', das auf den sauberen Steinböden niederging und an den hohen Wänden wider hallte, neben dem diskreten Aufschlagen der Ledersohlen seiner Schuhe beinahe aufdringlich wirkte. In der oberen Halle angekommen sah er sich um und sein erster Blick ging in Richtung der Galerie, von wo man für gewöhnlich auf die Neuankömmlinge herunter zu sehen pflegte, ehe er ihn von unten durch den Rest des Raumes schweifen ließ.

[Gregor]

Eine Augenbraue Gregors ging nach oben. Es schien so, als wäre er nicht alleine in diesen Hallen, in diesen Heiligen Hallen. Er ging in Richtung der Galerie, den Geräuschen entgegen. Seine Schritte waren gemessen und seine gerade Körperhaltung und -spannung wirkten formal. Er lächelte. Es war ein freundliches, einladendes Lächeln.

Er erblickte den Mann, als er die oberen Hallen erreicht hatte. Quasim konnte erkennen, dass Gregor die Galerie auch gerade erreicht hatte und dort wohl nicht wartete. Gregor drehte seinen Kopf leicht, als überlegte er. Das muss der Setit sein. Ja, er ist es. Er erinnerte sich an von Richthofens Worte. Ein Garten Eden sei die Domäne. Dann ist dies wohl die Schlange, die den Auszug aus dem Paradies einläutet.

Er suchte den Blick des Arabers und deutete einladend neben sich, während sein Blick fragend wirkte. Eine Geste, welche nichts autoritäres an sich hatte. Sein Lächeln blieb.

[Quasim ibn Sabah al-Ghazi]

Quasim hingegen stand unten, während der Ventrue offenbar oben auf der Galerie stand. So hob die Schlange dann also erneut den Blick, nachdem sie die Schritte vernommen hatte, die die Ankunft des Ventrue signalisierten. Ein wenig ließ er den Kopf kreisen, wie um angespannte Nackenmuskulatur zu lockern, wohl wissend, dass in seinem Körper nichts mehr anspannte, wenn er es nicht wollte. Als der Vampir neben sich deutete kam zunächst keine Erwiderung vom Setiten, nicht ein Mal ein Lächeln. Dieses zeigte sich erst ein, zwei Augenblicke später, als der Araber sich dann auf die Treppe zu bewegte, die hinauf führte. Gemessen waren die Schritte, doch besaßen sie eine gewisse Geschmeidigkeit, den Bewegungen einer echten Schlange nicht unähnlich; schwerfällig, aber nahezu lautlos. Und doch jederzeit zu einem blitzschnellen, tödlichen Angriff bereit. Er strahlte das gewissermaßen aus, die animalische Wildheit, sorgfältig versteckt hinter einer glatten Maske.

Als der schlanke Mann oben angekommen war, war das Lächeln noch nicht von seinen Lippen gewichen. Er neigte den Kopf höflich und begann dann: „Ich wünsche Ihnen einen guten Abend“ Er streckte allerdings keine Hand zum Gruß aus, sondern hielt den höflichen Abstand von etwa eineinhalb Metern.

[Gregor]

Der Ventrue hatte sich dem Araber zugewandt und schaute ihm bereits entgegen, als dieser die Empore erreicht hatte. Er lächelte immer noch freundlich und einladend. Sicherlich, auch dies konnte eine Maske sein.

Wenn ich mich nicht irre, dann sind Sie der werte Quasim ibn Sabah al-Ghazi. Wir hatten bisher noch nicht die Möglichkeit uns kennenzulernen. Ich bin Gregor von Sachsen-Coburg und Gotha, Kind des Ludwig von Sachsen-Coburg und Gotha und Neugeborener des Clans Ventrue.

Er deutete eine leichte Verbeugung an. Danach zeigte er neben sich, freundlich, einladend.

Kommen Sie doch neben mich, dann redet es sich leichter. Sie brauchen nicht zu befürchten, dass Ihnen in diesen Heiligen Hallen etwas passiert.

[Quasim ibn Sabah al-Ghazi]

Etwas in den Worten des Ventrue schien den Jünger zu erheitern. Ob es die Vermutung war, er hätte Angst, oder etwas ganz anderes, war nicht auszumachen. In jedem Fall wurde das feine Amusement schnell von einem entschuldigenden Lächeln fort gewischt, das auf den eher weichen Zügen des Arabers Gestalt annahm. Eines, das allerdings nicht die Augenwinkel erreichte und daher mit einiger Sicherheit gekünstelt war. Ein Wunder war das aber sicherlich nicht. „Bitte verzeihen Sie. In meiner Heimat pflegt man selbst unter unseresgleichen eine gewisse Nähe. In diesem Klima habe ich aber bisher eher die Erfahrung gemacht, dass man auf seinem Freiraum besteht.“ Er öffnete die Hände in einer weitreichenden Geste, die wohl den gesamten Raum umfassen sollte und legte sie dann vor der Brust wieder zusammen. Dann folgte eine weitere geschmedige Bewegung, in der er die Distanz beinahe überbrückte und eine Position in seiner Nähe bezog. Von Furcht fehlte jegliche Spur und er hatte offensichtlich auch keine Hemmungen, dem Ventrue in die Augen zu blicken. Er strahlte ein deutlich spürbares Selbstbewusstsein aus. „Aber eines frage ich mich bereits jetzt, Herr von Sachsen-Coburg und Gotha: Sollte ich den Umstand begrüßen, dass Sie sich bereits so sicher sind, wer ich bin, oder sollte mich das eher mit Argwohn erfüllen?“ Er gestikulierte während er sprach weiterhin mit beiden Händen, welche dann, als er geendet hatte, wieder vor seiner Brust zusammen lagen. Ein leicht fragender Unterton bildete sich bei den letzten Worten heraus. Und das Lächeln auf seinen Lippen war nur noch ein schwacher Abglanz von dem vorherigen.

[Gregor]

Gregor war aufgefallen, dass der Setit sich nicht persönlich vorgestellt hatte, doch er kommentierte es nicht weiter.

Sicher haben sie recht, dass eine angemessene Distanz ratsam ist. Es mag sicher auch viele geben, welche auf diese Distanz bestehen und sei es nur, um Rangunterschiede, angemessen oder nicht, zu unterstreichen. Doch es redet sich leichter und ungezwungener, wenn man während des Gespräches eine gewisse Nähe hat.

Seine Körperhaltung war entspannt, sein Auftreten freundlich. Dem Setiten war mit Freundlichkeit zu begegnen. Der Prinz wird seine Gründe gehabt haben, warum er ihn hier aufnahm. Und der Segen der verehrten Camarilla stand jedem offen, welcher ihr die Treue schwor. Und bis dies widerlegt war, sollte auch er den angemessenen Respekt genießen.

Sollte ich mit irgendetwas auch nur den Hauch von Argwohn in Ihnen geweckt haben, so entschuldige ich mich in aller Form hierfür. Nichts läge mir ferner. Ich habe ein Bild von Ihnen gesehen und aus der Tatsache, dass Sie zu diesen Stunden in diesen Heiligen Hallen wandeln, schloss ich darauf, dass sie es sind. Ich hoffe, dass ich Ihre Zeit nicht über Gebühr in Anspruch nehme mit diesem Gespräch. Sollten Sie beschäftigt sein, so möchte ich sie natürlich nicht von Ihren Pflichten abhalten.

Ein freundliches Angebot, um aus dem Gespräch zu kommen, ohne einen Gesichtsverlust zu befürchten. Es schien ehrlich gemeint, so fern man dieses unter ihresgleichen überhaupt sagen konnte.

Ansonsten freue ich mich natürlich, Sie kennenzulernen.

[Quasim ibn Sabah al-Ghazi]

Ah, freundlich wie eine Katze, dachte der Setit sich, als er den Worten des Königs lauschte. Aber was geschah mit einer Katze, die einer Kobra auf den Schwanz trat?

In der Mimk des Setiten änderte sich nichts, es verblieb das selbe höfliche Lächeln in seinem Gesicht. Nicht überschwänglich freundlich, aber auch alles andere als spottend, einfach ein gewöhnliches Konversationslächeln, das dem Gesprächspartner aufmerksames Zuhören suggerieren sollte. Natürlich hörte de Setite auch tatsächlich aufmerksam zu, allerdings auf einer anderen Ebene. Der Ton, den der Ventrue da angeschlagen hatte, formvollendet höflich und fast ein wenig demütig, irritierte den Setiten leicht, auch wenn man ihm das nicht ansah. Die Gründe dafür waren vielschichtig. Als er jedoch antwortete, nachdem er dem Ventrue mit eben dieser Maske der absoluten Aufmerksamkeit gelauscht hatte, war von Zweifel, Amusement oder Irritation nichts zu hören, geschweige denn zu sehen. „Ich fürchte, es ist eine Entschuldigung angebracht. Schließlich wollte ich nicht den Eindruck erwecken, ich würde Ihnen mit Argwohn begegnen“, was natürlich nicht bedeutete, dass er es nicht trotzdem tat, „Es ist nur so, dass ich diese forsche, etwas aus dem Rahmen fallende Art und Weise nicht erwartet hätte, jedenfalls nicht von einem Mitglied Ihres Blutes. Es ist... gewissermaßen erfrischend.“

Der Setit neigte für einen winzigen Augenblick den Kopf zur Seite und maß den Ventrue von oben bis unten mit einem huschenden Blick, ehe er dem Gegenüber wieder fest in die Augen sah. „Ich schätze, es ist ratsam, dennoch dem Protokoll zu folgen. Sie erlauben also..“ Er neigte erneut den Kopf in Richtung des Ventrue. „Ich bin Quasim ibn Sabah al-Ghazi, neugeboren im Clan der Jünger des Seth, Kind von Sabah ibn Nasir el-Talal. Und es ist mit ein Vergnügen, Ihre Bekanntschaft zu machen.“

[Gregor]

Rot und prall war der Apfel, dachte Gregor für sich.

Er nickte, höflich und anerkennend. Es hatte nichts herablassendes an sich. Der Ventrue wirkte freundlich und dennoch hatten Körperhaltung und Auftreten eine gewisse Autorität, welche aber lediglich im Hintergrund mitschwang.

Das Vergnügen ist auf meiner Seite, werter Herr ...

Er stockte kurz und leicht legte sich sein Kopf schräg. Fragend.

Ich stelle fest, ich bin mit Ihren Gebräuchen nicht vertraut und möchte sie auch in keiner Weise beleidigen. Wie wäre die korrekte Ansprache?

[Quasim ibn Sabah al-Ghazi]

Nun wirkte der Setit irritiert und in seiner Mimik ließ sich nichts von einer rhetorischen Falle oder ähnlichem vermuten. Es wäre auch eine schlechte Falle, wenn es so wäre.

„Oh, ich bitte Sie, meine Worte nicht als Kritik zu verstehen, im Gegenteil. Ich bin angenehm überrascht, dass Sie wissen, mit wem Sie es zu tun haben. Andere in dieser Domäne scheinen in dieser Hinsicht nachlässiger zu sein“ Erneut breitete er die Arme in einer allumfassenden Geste aus und schenkte dem Ventrue ein freundliches Lächeln, das aber ebenso gekünstelt war wie zuvor. Entweder konnte oder wollte er nicht ein Mal so tun als würde er ernsthaft lächeln. „Und was die Bräuche meiner Heimat angeht... die spielen hier in Europa keine große Rolle. Schließlich bin ich sozusagen bei Ihnen zu Gast und nicht umgekehrt“ Er zögerte kurz. „Aber für den Fall, dass Sie meinen Rat für eine Situation wünschen, in der Sie womöglich ein wichtigeres Kind der Nacht als mich beeindrucken möchten, das aus meinem Kulturkreis kommt....“ Er ließ die Worte und das damit verbundene Angebot der Aufklärung in der Luft schweben.