Seine wieder einkehrende Ruhe, gefiel ihr augenscheinlich und so würde einem höflichen Händeschütteln, wohl nichts mehr im Wege stehen. Womöglich brachte es ihr sogar eine gewisse persönliche Befriedigung, anderen ihrer Art noch etwas beizubringen, auch wenn es sich dabei nur um vernachlässigbare Fachterminologie handeln mochte. Selbst in ihrem Zustand, konnte man immer wieder noch das eine oder andere lehren und lernen. Manchmal war man sogar regelrecht dazu gezwungen. Heute und hier, lernte man sich kennen, wobei die Kälte seiner behandschuhten Finger, ihrem offensichtlichem Interesse keinen Abbruch tat. Derartige Dinge, waren im Anbetracht der Umstände wie ganz selbstverständlich zu erwarten; sein vollständiger Mutismus… eher nicht. Die wärmende Tasse wurde von ihr vorsichtig in beide Hände genommen und fast erweckte sie den Anschein, gleich einen Schluck trinken zu wollen. Ja, die angenehme Wärme von außen war schon ganz nett aber nichts ging doch über dieses wohlige Gefühl, wenn einen der heiße Tee von innen heraus wärmte und in geruhsame Entspannung versetzte. Da sie aber das hübsche Weiß des Schnees zu ihren Füßen, nicht in ein sattes Rot verwandeln wollte, blieb die dampfende Tasse, als auch deren Inhalt, dort wo sie waren. In aller Ruhe beobachtete sie die Bewegungen seiner Hand, die über das zerknitterte Papier glitten und quittierte die schriftliche Antwort, mit einem versonnenen Lächeln. Noch bevor sie zu einer Antwort ansetzen konnte, formten sich neue Zeilen auf dem Papier. Das machte nichts, sie ließ ihm ausreichend Zeit dafür. Der kräftige Mann wirkte… unsicher aber ihre Erwiderung auf seine sichtbaren Zweifel, gipfelte lediglich in einem knappen Heben ihrer Schultern und einem beruhigenden Lächeln. „Eine dieser spannenden Fragen. Schützen wir uns damit selbst oder die Sterblichen um uns herum? Ich habe da verschiedene Meinungen gehört.“
Die dampfende Tasse immer noch in den Händen haltend, deutete sie mit einem kurzen Nicken in Richtung des weitläufigen Parks, der in regelmäßigen Abständen von Straßenlaternen beleuchtet wurde. Die Wege in der Grünanlage selbst, waren zwar gekieselt aber die klirrende Kälte, hatte hie und da frisches Tauwasser in gefährliche Eisplatten verwandelt. Man konnte gar nicht anders, als seine Schritte langsam und bedächtig zu setzen. Zeitgleich könnte man den kleinen Spaziergang zu einem intimen Gespräch nutzen. Genau dies schien ihrer Intention zu entsprechen, als sie sich in der offensichtlichen Erwartung, er würde ihr wohl folgen, langsam in Bewegungen setzte.
Ein Schelm, wer beim Ausdruck ‚körperliche Vorrausetzung‘ an gänzlich zweideutige Interpretationen dachte. Dennoch ließ sie es sich nicht nehmen, seine durchtrainierte Statur einer erneuten, scharfen Begutachtung zu unterziehen. Mit einem schiefen Grinsen, wurde eine Augenbraue angehoben. Es gab ja bekanntlich nichts, das es nicht gab. „Sie wirken durchtrainiert und athletisch; strotzen geradezu vor roher Kraft und Kondition. Mit diesen Händen, könnten sie vermutlich Schädel wie Trauben zerquetschen oder ein allzu selbstsicheres Grinsen, zu einem undefinierbaren Brei verarbeiten.“ Sie kicherte ein wenig in ihren Schal hinein. „Ihr Erzeuger hat sie wohl aufgrund eines sehr physischen Bedarfs ausgewählt. Waren sie sein stummer Leibwächter? Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie im Baugewerbe Ziegelsteine schleppen mussten oder?“ Ihre Schultern hoben sich erneut ein fragendes Stück. „Wie würden sie ihren Charakter denn dann beschreiben? Ruhig und ausgeglichen?“ Ihre grünen Augen zwinkerten ihm verschmitzt zu. Ja seine besonnene Art, passte vielleicht nicht ganz in das stattliche Bild, das man im ersten Augenblick von seiner breitschultrigen Erscheinung gewinnen mochte. Zumindest nicht für sie.
„Talent“, sagte sie dann knapp. „Er glaubte in mir eben jenen Funken an schöpferischer Inspiration und Schaffenskraft zu erkennen, die seinen Geist und sein Herz beflügeln würden. Mein Erzeuger war ein eifriger Leser und gebildeter Mann. Ich war und bin nach wie vor Autorin.“ Ihr Blick wandte sich kurz hinauf in den sternenklaren Nachthimmel, als ob sie dort oben in der unendlichen Schwärze etwas zu entdecken erhoffte, nur um dann langsam wieder zu ihm zurück zu kehren. „Was machen sie denn beruflich?“