Frozen [Mittelschicht – West Town; Clara/Munir/Offen]


Frozen [Mittelschicht – West Town; Clara/Munir/Offen]

Postby Clara de Vries » 23 Feb 2016, 23:55

Kalt war es. Kalt und dunkel. Nun zumindest letzteres war nicht weiter verwunderlich, denn augenblicklich herrschte die tiefe Schwärze einer sternenklaren Nacht, die zusammen mit den eisigen Winden der Küstenregion, jegliches Tauwasser innerhalb weniger Stunden wieder zu spiegelglattem Eis gefror. Das ärgerte die vielen, fleißig ihrer Arbeit nachgehenden Angestellten und Pendler, die trotz der mittlerweile freigeräumten Straßen und Wege, immer noch dicke Mäntel und festes Schuhwerk tragen mussten. Wer Geld hatte, ließ lieber das Geld für sich arbeiten und genoss die wohlige Wärme, einer Smartphone-gesteuerten Zentralheizung. Der eine oder andere besaß sogar eine hauseigene Sauna mit Whirlpool. Das war Central. In der West Town, musste man immerhin noch pünktlich im Büro erscheinen und seinen Gehaltsscheck abholen, damit einem das Feiertagsbier so richtig munden durfte. Und in den Slums… nun, da hatte man entweder genug Leute umgebracht um sich an winterfester Kleidung zu erfreuen oder man starb einen langsamen, qualvollen Tod. Nicht das es irgendjemanden wirklich interessiert hätte, schließlich hatte die Stadt für eine solide Mauer aus bruchfestem Stahlbeton, Stacheldraht und Glasscherben gesorgt. Das Elend blieb vor der Tür, hinter einem massiv emporragenden, blickdichten Sichtschutz. Sehr europäisch und heutzutage wieder durchaus en vogue. Aus den Augen aus dem Sinn. Dafür gab es buntes Licht, wenn auch künstlich. Immerhin.

Auch sie war heute Abend hier um zu sehen und zu beobachten. Eine kleine Ansammlung von bunt zusammengewürfelten Menschen, die sich auf einer großen gefrorenen Fläche Wasser vergnügten und mit Schlittschuhen an den Füßen, unablässig größere und kleinere Runden drehten. Die größeren Plätze dieser Art, welche meistens eine ganz Flut an Wintersportbegeisterten bedienten und mit überteuerten Getränken versorgten, konnte man sich in diesem Teil der Stadt nicht leisten. Klein war hier alles, klein und überschaubar. Deshalb war es auch leistbar für die Sprösslinge der allmählich schwindenden Mittelschicht, die hier hauptsächlich anzutreffen waren. Teenager in sauberer Kleidung und dem letzten bisschen Hoffnung auf eine bessere Zukunft; den Blick gen Central gerichtet. Hier war die Welt irgendwie noch in Ordnung. Es gab ein paar Sitzbänke und einen Hotdog-Stand, eine kleine Hütte aus Holz, die den mutigen Enthusiasten für ein geringes Entgelt, die notwendige Ausrüstung leihweise zur Verfügung stellte und sogar eine passable Soundanlage, die das Bedürfnis nach musikalischer Zerstreuung zufriedenstellte. Hie und da hatte man kleine Stehtische mit Heizstrahlern, in Form von hohen Lampengebilden aufgestellt und buntes Licht aus kraftvollen Flutlichtern, zauberte ein farbiges Miasma auf die spiegelnde Oberfläche. Gelegentlich wurden verstohlen die ersten zarten Küsse ausgetauscht oder heimlich Zigarette geraucht. Wahrscheinlich hatten die einen oder anderen sogar was ‚anständiges‘ zu rauchen dabei aber da hätte man sich wohl nur um das idyllische Gesamtbild betrogen gefühlt.

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Die junge Frau in der dicken Winterjacke stand am Rande des Geschehens, die Hände tief in den Taschen vergraben und beobachtete die Bewegungen der Läufer auf dem Eis. Um Hals und Mund, wickelte sich ein dicker Wollschal, der ihr bis an die Nasenspitze reichte. Heute trug man zudem auch ein hübsches Mützchen mitsamt Bommel. Bitterlich kalt war es und die Farbe ihrer Haut, mochte jener des frisch gefallenen Schnees beinahe gleichen. Kalt und bleich. Vielleicht eine beginnende Grippe? Dann würde man ihr vielleicht bald diesen köstlich-heißen Früchtetee am Verkaufsstand empfehlen wollen aber momentan erweckte sie so gar nicht den Anschein, als würde sie sich demnächst von dort wegbewegen wollen. Ihre Augen sind halb geöffnet und sehen in müder Trance auf das Eis. Nachdenklich wirkt sie, nachdenklich und vielleicht ein klein wenig… betrübt. Sicher der Schnupfen. Frische Luft tat ja immer gut und weckte die Lebensgeister.

Ihr Kopf drehte sich leicht in die Richtung eines sich küssenden Liebespaares. Sie beobachtet. Schweigsam und in sich gekehrt. Als ob sie versuchen würde zu verstehen, wie es sich anfühlen mochte. So etwas... was immer es war.

[Tune: Thinking...]
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Re: Frozen [Mittelschicht – West Town; Clara/Munir/Offen]

Postby Munir Andara » 24 Feb 2016, 16:50

Die Kälte war allgegenwärtig in dieser klaren, hellen Nacht. Die Sterne tanzten über ihnen allen ihren scheinbar unendlichen Tanz, sie schienen sogar ihre Positionen zu wechseln, ihren Ort am Firmament. Zumindest für die Unwissenden. In seltenen Momenten sah man in solchen Nächten gar einige Sterne von ihrem angestammten Platz am Himmel fallen, sie zogen dann immer ihre wunderschönen Schweife hinter sich her und boten so eine Augenweide für all jene, die versuchten, ihre Augen vor der Realität zu verschließen und etwas Schönheit in dieser düsteren Welt zu sehen.

Auch er war in dieser Nacht unterwegs und wärmte sich nicht seine Gelenke unter warmen Decken oder an Kaminfeuern, wie es so viele taten, verfügten sie denn über derartige Gerätschaften. So trug er wie all die Nachtschwärmer, die hier versammelt waren, warme Kleidung. Auf seine häufig getragene Lederjacke mochte er nicht verzichten, so trug er eine gefütterte Version, die bis auf einen kleinen Spalt an seinem Hals geschlossen war. Aus diesem ragte ein grauer Schal, der unter dem Dreitagebart seines Kinns sein Ende fand. Den Kopf hielt eine in die Stirn gezogene Wollmütze, die Hände schwarze Lederhandschuhe- womöglich Quarzsandhandschuhe? Sie sahen zumindest ähnlich aus- und die Füße schwarze Kampfstiefel- etwas heruntergekommen- warm. Einzig die Stiefel und seine Statur, für das wachsame Auge auch seine Handschuhe, hoben ihn etwas von der Menge ab, jedoch nur unmerklich, achtete man nicht genau darauf.
In seinen Händen hielt er einen Becher mit dampfendem Tee, den er gerade von dem Getränkestand, der am Rande der Eisfläche stand, erstanden hatte.
Auch er hielt sich am Rand auf, würde nicht auf das Eis gehen. Sein Weg führte ihn zu einer Stelle, an der er das muntere Treiben auf dem Eis gut überblicken konnte, sodass er dieses und den klaren Nachthimmel einer Winternacht betrachten konnte. So stellte er sich neben die Fremde und nickte dieser zur Begrüßung kurz zu. Als er ihre blasse, fast weiße Haut dabei sah- ungleich blasser selbst als seine eigene- besann er sich auf seine Freundlichkeit und hielt ihr stumm den noch vollen Becher mit der dampfenden, wohlriechenden Flüssigkeit entgegen. Immerhin kostete ihn dies nichts und das Getränk hatte er sich nur aufgrund eines merkwürdigen Gefühls der Maskerade gekauft, brauchte es nicht wirklich.
Er genoss die Schönheit des Gesamtbildes, bildete es doch einen angenehmen Gegensatz zu dem, was er ansonsten genoss. Doch diese Nacht war anders als viele andere und er mochte auch diesen Aspekt seiner Existenz.
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Re: Frozen [Mittelschicht – West Town; Clara/Munir/Offen]

Postby Clara de Vries » 25 Feb 2016, 14:29

Die Frau neben ihm regte sich nicht, als er an ihre Seite trat um den spätabendlichen Treiben ebenfalls beizuwohnen. Es gab auch keine Veranlassung dazu. Überall auf dem Platz, standen verteilt einzelne Menschen, Paare oder Grüppchen die sich angeregt unterhielten, aufwärmten, scherzten, lachten, Tee tranken oder Hot-Dogs verzehrten und die beruhigende Atmosphäre auf sich wirken ließen. Feierabend. Sogar der normalerweise ständig präsente Verkehrslärm der Stadt, wurde von der poppigen Musik aus leistungsstarken Boxentürmen, in ein kaum wahrnehmbares Summen im Hintergrund verwandelt. Eine kleine Oase des eisigen Winterzaubers, im Strudel der Zeit. Aber selbst die schien in dieser Nacht erstarrt und wenigstens für ein paar beschauliche Momente, in weite Ferne gerückt. Sein Nicken wurde von ihr nur aus den Augenwinkeln bemerkt; ein kurzer Augenblick der Ablenkung lediglich, ehe sie sich wieder gedankenverloren den Bewegungen auf dem Eis vor ihr widmete. Keine Reaktion. Er war da, sie war da. Mehr gab es da wohl nicht zu bemerken.

Erst als er ihr die heiße Tasse mit der dampfenden Flüssigkeit hinhielt, rückte seine Erscheinung ein wenig mehr in den Fokus ihrer Aufmerksamkeit. Eine Hand löste sich aus den Taschen ihres Mantels; umschloss den Henkel der Tasse, während die andere sie langsam und vorsichtig umschloss. Wärme. Heiße Wärme und der angenehme Duft von frischen Früchten. Alles nur Aroma und künstliche Farbstoffe aber dennoch mochte man daran glauben. Es tat ihr scheinbar gut die kleine Tasse zu halten ihre kalten Finger daran aufzuwärmen. Seelig schloss sie für einen Moment die Augen und seufzte verträumt. Blau mit einer stilisierten Schneeflocke, darunter die verschnörkelte Aufschrift: ‚Henderson Outdoor Ice Rink. Enjoy Life - Enjoy Chicago‘. An den kleinen Lachfältchen unter ihren grünen Augen, mochte man darauffolgend eine kurze Belustigung erkennen; der Rest ihres Gesichtes war nach wie vor bis zur Nasenspitze vermummt. Enjoy Life. Toll…

Nachdenklich wanderte ihr Blick in seine Richtung und betrachtete den hochgewachsenen Mann neben ihr. Bis zu diesem Zeitpunkt, hatte er für sie wohl lediglich zum Inventar der eisigen Winterkulisse gehört aber allmählich schien ihr bewusst zu werden, dass da kein selbstgebauter Schneemann neben ihr stand. Schneemänner tranken nämlich keinen heißen Tee, soviel stand fest. Außer der betreffende Schneemann war suizidal… Sie schüttelte knapp den Kopf auf dem die dicke Mütze mit Bommel saß und musterte dann eingehend den Fremden neben sich. „Danke…“, kam es dann gedämpft zwischen den wollenen Schichten ihrer Winterausrüstung. „Aber ich will ihre Kinder nur ungern um eine heiße Tasse Tee bringen. Immerhin bin ich schon so dreist mich daran aufzuwärmen.“ Ihre Hand umschloss noch ein letztes Mal die blaue Tasse, bevor sie diese wieder an ihn zurückreichte. Nein, sie würde wohl nicht davon trinken. Schon allein aus Höflichkeit. Dem aufmerksamen Beobachter würde auffallen, dass ihr Atem keine kleinen Wölkchen bildete, die bei solchen Witterungsverhältnissen so allgegenwärtig waren. Möglicherweise lag das aber auch einfach nur am dicken Schal vor ihrem Gesicht.

„Sie wirken nicht so, als ob sie besonders oft hierher kommen“, stellte sie dann wenig aussagekräftig fest. „Hat ihre Frau die Grippe erwischt oder sind sie alleinerziehend?“, fügte sie dann kurzerhand an.

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Re: Frozen [Mittelschicht – West Town; Clara/Munir/Offen]

Postby Munir Andara » 25 Feb 2016, 16:42

Seine Mundwinkel hoben sich kurz, um ein kleines Lächeln anzudeuten. Die Tasse nahm er nicht entgegen, sondern formte mit seinen Lippen nur stumme Buchstaben, die sich für Aufmerksame zu einigen Wörtern zusammenfügten.
Warten Sie kurz.
Dabei entließ sein Mund keine Atemwölkchen- allgemein schien er entweder nur sehr langsam und kontrolliert zu atmen, oder vielleicht aus seiner Nase, denn es waren keine der für diese Jahreszeit so typischen Wolken vor seinem Gesicht zu sehen.
Mit einer Hand holte er einen leicht zerknitterten Notizblock heraus, aus dem schon einige Blätter herausgerissen worden waren. Er war etwa so groß wie die Hand, die ihn nun hielt und das Papier wies keinerlei Musterung auf, war blanko. Mit einem recht stumpfen Bleistift, der ebenfalls seine besten Tage bereits gesehen hatte, schrieb er etwas auf den obersten Zettel und hielt der Fremden daraufhin den Block hin.
Ich habe keine Kinder und keine Frau, die krank sein könnte.
Der Tee ist für Sie, Sie sehen so aus, als würden Sie ihn eher brauchen als ich.

Dabei wirkten seine Augen ernst, nur seine Lippen zierte ein kleines Lächeln.
Als sie ihm die Tasse wieder reichen wollte, schüttelte er nur den Kopf.

Damit drehte er sich wieder leicht dem Eis zu, um das Schauspiel dort betrachten zu können, wobei er sich von ihr nicht wirklich abwendete, sie blieb ein Teil seines Sichtfeldes, auch wenn sie nicht mehr das Zentrum dessen einnahm.
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Re: Frozen [Mittelschicht – West Town; Clara/Munir/Offen]

Postby Clara de Vries » 26 Feb 2016, 01:17

Ihre Augen öffneten sich verwundert ein kleines Stück weiter, wie bei einer Katze die gerade eine unheimlich interessante Entdeckung gemacht hatte. Es fehlte nur mehr das dazugehörige Heben einer ihrer Augenbraue aber die lagen ja beinahe auch schon zur Gänze unter ihrer Wollmütze verborgen. Wenn man es nicht besser wüsste, hätte man beinahe annehmen müssen, die Dame wäre heute Nacht ein wenig ‚inkognito‘ unterwegs. Nachdem er ihr zu verstehen gab, kurz zu warten, fiel Ihr Blick fragend auf den zerknitterten Notizblock in seinen Händen und dem darauf tanzenden Bleistift, der geschwungene Buchstaben aneinanderreihte, die nach und nach Wörter und schließlich sogar ganze Sätze formten. Sie kniff die Augen angestrengt zusammen und las dann langsam von dem handtellergroßen Zettel ab, was er ihr mitteilen wollte. Stumm. Der Mann neben ihr war weder Familienvater noch verheiratet, dafür war er stumm. Nun, zumindest nicht taubstumm so viel hatte sie bereits mitbekommen. Ihr Kopf nickte bestätigend und ihre Schultern hoben sich ein Stück. Ein weiterer bedauernswerter Mensch mit Behinderung und damit einhergehender Begünstigungen, wie beispielsweise freies Parken auf dem Henderson Ice-Rink. Sie durfte jede Nacht um einen verdammten Parkplatz kämpfen. Naja, dafür zahlte er vermutlich auch mit sozialer Isolation, Diskriminierung und womöglich sogar langsam dahinschleichender Vereinsamung. Immerhin hatte er einen Weg gefunden sich anderen gegenüber auszudrücken. Arme Socke. Dabei wirkte er ja trotz seiner breiten Schultern eigentlich ganz… zutraulich. Wenn man jetzt davon absah, das er auch gut und gerne die rechte Hand eines Unterweltbosses oder gar Zuhälter sein konnte. Die Statur dafür hätte er.

Die freie Hand bekam ihren Schal zu fassen und enthüllte nach und nach ein erstaunlich hübsches Gesicht, das eigentlich viel zu schade war, um es hinter dicken lagen aus Wolle zu verbergen. Und ihr Lächeln hätte bei Bedarf wohl tatsächlich Schnee schmelzen können. Sie lachte etwas verhalten und schüttelte den Kopf; amüsierte sich wohl eher über sich selbst als über ihn. „Wahrscheinlich haben sie sogar Recht. Vielen Dank nochmal. Ich werde mich beizeiten revanchieren, versprochen.“ Mit diesen Worten wanderte die heiße Tasse an ihren Mund und langsam trank sie einen großzügigen Schluck… nein, natürlich entsprach dies nicht den Tatsachen. Die blaue Tasse kam kurz vor ihrem Mund zu stehen, verharrte dort wie vor einer unsichtbaren Mauer und senkte sich dann allmählich wieder. Begleitet wurde diese Szenerie von einem kurzen Seufzen. Früchtetee… früher da gab es immer an Weihnachten… aber das war lange her. Wie ein Kind das gerade sein Lieblingsspielzeug verloren hatte, starrte die junge Frau für einige Momente auf die dampfende Tasse in ihren Händen. Dann wandte sie sich erneut dem Fremden an ihrer Seite zu; beobachtet zunächst lediglich ihn, dann das Schauspiel auf dem Eis und blieb dann schlussendlich doch wieder an ihm hängen. Enjoy Life…

„Es ist wahrscheinlich äußerst unhöflich sie das so direkt zu fragen aber warum können sie nicht sprechen? Hat es psychische, genetische oder physiologische Ursachen?“ Sie schmunzelte leicht. „Vielleicht können sie ja sogar sprechen aber ziehen es vor zu schweigen, das wäre ja mal wirklich interessant.“
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Re: Frozen [Mittelschicht – West Town; Clara/Munir/Offen]

Postby Munir Andara » 26 Feb 2016, 14:52

Er schüttelte sachte seinen Kopf, als sie ihm anbot, sich bei ihm für den Tee zu revanchieren. Was würde sie ihm denn zu einem späteren Zeitpunkt anbieten? Eine Tüte geröstete Mandeln, die er seit langer Zeit schon nicht mehr essen konnte? Der wohlduftende Früchtetee schien in der fremden Frau alte, schöne Erinnerungen hervorzurufen. Möglicherweise an ihre Kindheit, die vor der Zeit des Bürgerkriegs lag. Vor der Zeit, in der Alice regierte.
Die Kindheit- schöne Erinnerungen. Die hatte er nicht. Zumindest kaum.
Sein Blick fiel wohl zum ersten Mal auf die Tasse, auf die Schrift.
Enjoy Life.
Das tat er, auf seine Art und Weise. Und er war zufrieden damit, vermisste nichts, was ihm ein anderes Leben geben könnte. Es wäre vielleicht alles etwas einfacher, aber dennoch.. war er zufrieden.

Als er ihre Frage hörte, formten seine Lippen Zweites. Dabei fiel sein Blick auf irgendeinen Punkt hinter ihr und er wirkte für einen kurzen Moment abgelenkt, seltsam gedankenverloren.
Genetik, wisperte er unhörbar, schien mit seinen Gedanken für kurze Zeit in einer anderen Zeit festzuhängen. Seine Augen wirkten nicht einmal sonderlich traurig, als er sich wieder auf das ´Hier und Jetzt´ konzentrierte und er wieder sie fokussierte. Die schöne Fremde, er musste dabei wieder kurz schmunzeln und bannte den ernsten Ausdruck aus seinem Gesicht.
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Re: Frozen [Mittelschicht – West Town; Clara/Munir/Offen]

Postby Clara de Vries » 29 Feb 2016, 16:41

Ihre überraschte Reaktion auf sein, ihre kalten Finger wärmendes Geschenk, zeigte sich in einem zaghaften Neigen des unter der Wollmütze verborgenen Kopfes, als sie erneut zu ihm aufblickte. Ganz offensichtlich war seine großzügige Geste keine Selbstverständlichkeit für die hübsche Frau. Das jemand in diesen dunklen Zeiten noch so etwas wie Rücksicht und Fürsorge für seine Mitmenschen aufbrachte, war selten geworden. Sehr selten sogar. Ein sachtes Schmunzeln umspielte ihre Mundwinkel und in ihren grünen Augen, lag ein heutzutage ebenfalls selten anzutreffender Ausdruck von leicht beschämter Dankbarkeit. Gewiss hätte sie gerne auf seine Gesunheit getrunken aber aus nicht näher definierten Gründen, behielt die volle Tasse weiterhin ihre Position zwischen ihren langsam auftauenden Fingern bei. "Danke...", quittierte sie seine Freundlichkeit erneut. Zwei einander fremde Personen, die dem eisigen Zauber einer kalten Winternacht erlegen schienen.

Einen ganz besonders magische Wirkung, schien auch seine wortlose Erwiderung auf ihre Frage nach seinem Gesundheitszustand, auf sie zu auszuüben. Mit halb geschlossenen Augen, fixierte sie den stämmigen Mann, dessen Aufmerksamkeit wohl gerade wieder der vergnügten Menschen auf dem spiegelnden Eis galt. Nachdem ihr Blick kurzzeitig fester und eindringlicher auf ihm zu ruhen kam, erwiderte sie sein versonnenes Lächeln und trat einen Schritt auf den Fremden zu. Bevor noch ein Wort über ihre Lippen kam, wanderte die dampfende Tasse langsam in seine Hand; wurde ihm regelrecht aufgedrängt.

[Auspex 2: 4 Erfolge]

"Ich glaube Mutismus ist nicht ihr größtes, gesundheitliches Problem. Ein nichtexistenter Blutkreislauf könnte auch zu einigen Einbußen führen, wenn man nicht bereits tot wäre. Tun sie ihren Fingern ruhig auch einmal etwas Gutes", erläuterte sie ihm dann im lockeren Plauderton, ihre soeben getroffene Diagnose. Genetik defekt - Patient tot. Oder so ähnlich.

"Warum hat das niemand abgeklärt, bevor man sich dazu entschloss sie tiefer in den Kaninchenbau vordringen zu lassen? Ich nehme doch stark an, das sie bereits weitaus früher über Behandlungsmodelle informiert wurden?" Das Zusammenziehen ihrer Augenbrauen, signalisierte ihm Unglauben. Nicht das es nicht schon einmal vorgekommen wäre das... aber trotzdem war es ungewöhnlich. "Traumatische Erlebnisse oder Neurologische Läsionen?" Nein es war nur schwer vorstellbar das man jemanden in die Nacht holte der doch irgendwie schwerwiegend in seiner Möglichkeit mit anderen zu kommunizieren beeinträchtigt war. Taub war er ja offenbar nicht, somit fiel der hochgeschätzte Archetyp des verlässlichen, taubstummen Dieners ja schon einmal weg.
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Re: Frozen [Mittelschicht – West Town; Clara/Munir/Offen]

Postby Munir Andara » 01 Mar 2016, 00:28

Würden ihre Fingerspitzen seine Hand auch nur flüchtig berühren, als sie ihm die Tasse wieder zurück in die Hand drückte, so wäre diese kalt. Kälter, als sie selbst zu dieser Jahres- und Tageszeit hätte sein dürfen- trotz der Handschuhe, die er trug.
Als sie anfing zu sprechen, drehte er sich wieder zu ihr um. In seine dunklen Augen trat zunächst ein fragender, leicht irritiert wirkender Ausdruck.
Sah man es ihm so einfach an, oder hatte sie..? Sicher hatte sie. Wie sollte es auch sonst sein. Seine Augen klärten sich und das einzige, was sie nun ausdrückten, war eine Form von Erleichterung, Entspannung. In seiner Haltung war keinerlei Anspannung zu erkennen, es war eine schöne Nacht und sie würde schön bleiben, so hoffte er. Auch wenn das Auftauchen eines anderen Kainiten nahende Gewalt bedeuten konnte. Das jedoch spielte keine Rolle, die Nacht würde trotz dessen ihre eigene Schönheit an den Tag legen.

Er betrachtete sie nun wohl zum ersten Mal richtig und Gewissheit, gemischt mit einer gewissen Befriedigung war für einen winzigen Moment für jene, die Gesichter lesen konnten, in seinem zu sehen. Dann klärte es sich wieder, strahlte Ruhe aus.

[Auspex 2: 2 Erfolge]

Bei ihrem ersten längeren Satz zuckte er nur kurz mit den Schultern, die Tasse nahm er widerstandslos entgegen. Dann jedoch legte er seinen Kopf leicht auf die Seite und der irritierte Ausdruck trat erneut in seine Augen, er schien sie nicht zu verstehen oder mit den Worten nichts anfangen zu können. Dabei formten seine Lippen etwas, das man wohl als Neuro- deuten konnte. Dabei neigte sich sein Kopf um ein paar weitere Grade, es schien sich also nicht um eine Aussage, sondern mehr eine Frage gehandelt zu haben.
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Re: Frozen [Mittelschicht – West Town; Clara/Munir/Offen]

Postby Clara de Vries » 01 Mar 2016, 21:41

Schmunzelnd beobachtete sie die Reaktion des breitschultrigen Mannes vor ihr. Auch in ihrem Blick lag keinerlei Furcht oder erkennbare Anspannung. Wie völlig selbstverständlich, nahm sie die fröstelnde Kälte seiner behandschuhten Finger hin; als wäre daran überhaupt nichts Ungewöhnliches oder Auffälliges festzustellen. Ihre offene, ihm zugewandte Körperhaltung, ließ überdies keinen Zweifel darüber aufkommen, das ihr nichts ferner läge als plötzliche Gewalt oder boshafte Provokation. Nein, die hübsche Frau schien vielmehr zunehmend neugierig und ehrlich interessiert an seiner Person. Seine Irritation quittierte sie lediglich mit einem kurzen Heben einer Augenbraue.

"Neurologische Läsionen? Neurologie befasst sich salopp ausgedrückt, mit dem menschlichen Nervensystem. Läsionen sind Schädigungen dieses Systems. Und ihr Mutismus könnte auf etwas Derartiges zurückzuführen sein..." Ihre Lippen verzogen sich zu einem leichten Schmunzeln. Zugegeben, das war jetzt vielleicht nicht die gängigste Allgemeinbildung aber eine ungefähre Vorstellung wovon sie sprach, hätte wohl der Großteil der Bevölkerung hinbekommen. Oder etwa doch nicht? Möglicherweise gab es da einfach... Ausnahmen. Ihr Hand wanderte ihm entgegen; ausgestreckt, damit er sie bei Bedarf schütteln könnte.

"Clara de Vries. Und es fällt mir bei allem gebührenden Respekt, nach wie vor schwer zu glauben, dass man jemanden mit Mutismus in die endlose Nacht holt. Warum hat man sie ausgewählt?" Da war eine brennende Neugier in diesen funkelnden, grünen Augen.
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Re: Frozen [Mittelschicht – West Town; Clara/Munir/Offen]

Postby Munir Andara » 03 Mar 2016, 15:53

Er nickte bei ihren Erläuterungen bedächtig, schien zu verstehen. Es hatte lediglich an dem Wort Läsion gelegen, das er nicht gekannt hatte. Nun, vielleicht würde er sein neugewonnenes Wissen irgendwann einmal nutzen können, wer wusste dies schon? Jedes Zeichen von Irritation und Unsicherheit verschwand aus seiner Mimik und Körperhaltung; seine Züge glätteten sich, er strahlte wieder Ruhe aus.

Ihre Hand nahm er entgegen und schüttelte sie leicht, wandte jedoch fast keinen Druck auf und- dann war da die Kälte, die von seiner Hand ausging. Als sich ihre Hände wieder gelöst hatten, hielt er Clara die Tasse entgegen, wobei er sie gedreht hatte, damit sie sie bei ihrem Henkel entgegennehmen könnte. In seiner anderen hielt er- wie als Erklärung- seinen Block und zwischen zwei Fingern den Bleistift. Falls sie keinerlei Anzeichen machte, sie zu empfangen, drückte er sie ihr auffordernd in die Hand. Dann begann er zu schreiben, das Kratzen der Miene auf dem Papier war in der Geräuschkulisse um sie herum kaum auszumachen. Nach kurzer Zeit des Schreibens drehte er ihr erneut seinen Notizblock zu, sodass sie ihn zu lesen vermochte.

Munir Andara.
Ich entsprach den körperlichen Voraussetzungen, die mein Erzeuger an mich stellte. Und mein Charakter hat seinen Vorlieben entsprochen- und bei Ihnen? Warum wurden Sie erwählt?


Dabei schmunzelte er leicht. Dann schwand es kurz aus seinem Gesicht; er wartete kurz, bis sie das Lesen beendet hatte und zog den Block wieder zu sich. Sobald sich ihre Augen wieder zu seinem Gesicht heben würden, formte er mit seinen Lippen zwei Worte: Warte kurz. Daraufhin begann er erneut zu schreiben.

Wäre es nicht besser, nicht unter all den Menschen hier
Er sah sich dabei einmal kurz um.
laut über etwas derartiges zu sprechen? Vorausgesetzt natürlich, Sie haben keine Angst, den "Schutz" der Menschen um uns herum aufzugeben.

Ein breites Grinsen lag in seinem Gesicht, eindeutig amüsiert, es zog sich bis in seine Augen, die ebenfalls Amüsement ausdrückten.
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