Es waren etwa eineinhalb Stunden vergangen bis die vielen kleinen Helferchen welche sich um die Instandsetzung des Bodens gekümmert hatten wieder verschwunden waren. Gabriel welcher eine Zeitlang seinen angestammten Platz verlassen hatte wieder eingekehrt war und sich von jenem erhob um auf das Podest, welches leicht seitlich von Loge befand, in welcher der Gastgeber die dem ein mehr oder weniger bekannten Persönlichkeiten um sich versammelt hatte.
Vielleicht war es ein Gespür, vielleicht einfach auch nur ein erkennen der Reaktionen anderer welche es nicht nötig machte in gesonderter Form darauf aufmerksam zu machen das der Abend der noch jung war, nun offiziell eröffnet wurde.
Gabriel wartete in aller Geduld bis die letzten Gespräche verstummten, die Gäste wieder zu ihren angestammten Plätze zurückgekehrt waren und die Stille den Raum für sich eingenommen hatte, ehe er seine Stimme erklingen ließ. Er musste jene nicht besonders Bemühen um verstanden zu werden, es schien fast so als wäre jene allgegenwertig. Ein Zauber? Versteckte Technik? Oder vielleicht lag jenes einfach auch nur der Architektur des Kolosseums?...
„Hochverehrte Ahnen, verehrte Ancilla, werte Neugeborene, geschätzte Nachfahren Kains. Es ist mir eine Ehre, wie auch persönliche Freude zu gleich, im Namen des höchstverehrten Critias, all die hier Anwesenden die so zahlreich erschienen sind, begrüßen zu dürfen. In einer Zeit des Wandels. In einer Zeit der Veränderung. In einer Zeit in der unzählige unserer Art durch die jüngsten Ereignisse, im Nichts verschwanden. Ganz gleich von Alter, Status und Bedeutung, autonom der Zugehörigkeit des Blutes, unabhängig von Idealen und Überzeugungen, in einer Zeit in der Strukturen ganz gleich wer sie erbaut hat, bröckeln und an Substanz verlieren, in einer Zeit in der unsere Art nicht nur das Ende ihrer Position an der Spitze der Nahrungskette droht, sondern die völlige Auslöschung.“
Begann er mit nüchterner und klarer Stimme. Die Haltung war aufrecht. Der Blick aufgrund der tiefliegenden Kapuze kaum auszumachen, ebenso wie die Mimik.
„Unsere Art wurde Angriffen, nicht ein einzelner. Wir alle von einem Unsichtbaren Feind. Einem Feind den wir nicht benennen können. Einem Feind der noch immer da draußen lauert. Die Ereignisse um die Jahrtausendwende waren nur der Anfang. Ein gemeinsamer Feind macht jedoch aus erbitten Feinden, noch lange keine Verbündete oder gar Freunde. Und wer die Geschichte unserer Art, unsere Natur und das Wesen kennt, welches ein Teil von uns allen ist, der weiß wie utopisch der Gedanke einer Gesellschaftform ist, das dem Charakter eines jeden einzelnen einen Platz bietet, der ihm gerecht wird. Und selbst wenn man dieses Utopia erschaffen würde, wäre dies unserer Untergang. Gerade in diesen Nächten brauchen wir den Wettstreit. Brauchen wir die Herausforderung, den Prozess der natürlichen Auslese, an dem der eine wächst und ein anderer vergeht.
Wie schon der ein oder andere bemerkt hat verliert unser Blut an Macht. Noch vor der Jahrtausendwende war das erschaffen eines Nachfahren für die meisten der Unseren ohne weiteres möglich, wenn man es rein auf den Akt der Durchführung reduziert. Heute jedoch überstehen nur die wenigsten die Prozedur des Kusses. Der Akt ist verbunden mit geistiger Anstrengung und deren Nachwirkungen dauern sehr lange an und selbst mit jener gelingt es nur noch den wenigsten unser Vermächtnis weiter zu geben. Vor all den Ereignissen, war es ein Leichtes einen Menschen mit dem eigenen Blut zu binden, nur ein paar Tropfen in einem Glas Wein reichten aus…
Es scheint geradezu als entwickelten die Menschen, eine Art inneren Widerstand gegen unser Vermächtnis, gegenüber unserem Blut. Vor etwa 700 Jahren erhob sich die Menschheit schon einmal gegen uns und wenn sie damals schon die Möglichkeiten der heutigen Zeit ihr Eigen genannt hätten, würden wir heute aller Wahrscheinlichkeit gar nicht hier stehen.“
Bilanzierte er die aktuelle Situation ohne irgendwelche Emotionen, ohne jede Wertung.
„Vor dieser Realität die eigenen Augen zu verschließen geht mit dem Untergang einher. Die verbliebenen Führer aller großen Gesellschaftsformen sind sich zumindest in dem Punkt einig, dass unsere Art im Gesamten bedroht ist, auch von der Menschheit an sich und das gegenseitiges Blutvergießen im großen Stil, einzig dazu führen wird, das der Feind unserer Art, es am Ende leichter haben wird, sein Ziel zu erreichen.
Die endgültige Auslöschung unserer Art.
Aufgrund dieses gemeinsamen Konsenses sind die einzelnen Repräsentanten der verschiedenen Gesellschaftsformen in der heutigen Nacht auch Anwesend und bereit miteinander auf neutralem Boden zu sprechen. Vielleicht wird diese Nacht irgendwann einmal in die Geschichte unserer Art eingehen, in welcher der Grundstein dazu gelegt wurde unsere Art vor ihrer Vernichtung zu bewahren. Vielleicht aber auch nicht.“
Es folgte eine kurze Pause, als wollte er den kommenden Worten ein wenig mehr an Gewicht und Bedeutung verleihen.
„Der höchstverehrte Critias, Methusalem vom Blute der Gelehrten, Botschafter des allerhöchstverehrten Remus, Methusalem vom Blute der Gelehrten, Zar der des Bundes der eisernen Wacht und Erster seines ruhmreichen Hauses, bietet in dessen Namen, im Stadtteil Loop, der Stadt Chicago, einer jeder Fraktion, ein jedem einzelnen Bewohner dieser Stadt einen neutralen als auch sicheren Raum, ein heiligen Boden solange er sich an die aufgestellten Regeln hält. Er bietet einen Raum um Konflikte zu lösen. Um zu Verhandeln und neue Brücken zu bauen. Ein Raum des Dialoges und des Austauschs. Er bietet Weisheit und Rat. Und er bietet die letzte Möglichkeit, Kontrahenten untern den Augen der Götter hier in dieser Arena, einen offenen Konflikt, endgültig zu einem Ende zu führen…“
Wieder folgte eine kurze, wenn auch deutlich kürzere Unterbrechung.
„Eine Möglichkeit die bereits in der heutigen Nacht ergriffen wurde… und so stehen sich in der heutigen Nacht Kratos vom Blute der Könige und Svarog vom Blute der Former um ihren nicht enden wollenden Konflikt, für ein und alle mal zu beenden.“
Die Worte verhallten noch einen Moment, ehe die beiden Tore der Arena sich unter einem lauten knatternden Geräusch öffneten. Aus dem Schlund des Wolfes konnte man zuerst die Schemen einer Gestalt erkennen, welche….