Die Geschichte: Ein neuer Morgen bricht an [2001]


Die Geschichte: Ein neuer Morgen bricht an [2001]

Postby SL Chicago » 14 Apr 2015, 14:00

“Tag 23. Wir schreiben das zweite Jahr einer neuen Zeitrechnung. Kaum mehr als ein Jahr ist vergangen seit der blutrote Mond das letzte mal aufging. Und mit ihm zogen tiefschwarze Wolken auf, die den Himmel verdunkelten und das Firmament in eine schier ewig andauernden Finsternis verschlang. Das Ende aller Nächte: Die lange Dunkelheit von Gehenna. Und die Welt stand still.

Als wir die Augen öffneten war es als würden wir aus einem langen, unruhigen und traumlosen Schlaf erwachen. Kainskinder... gleichsam wie Menschen. Und was wir um uns herum vorfanden glich nicht länger der Welt, der wir entschliefen:
Die Straßen und Häuser waren übersät von Leichen. Blutgefäße, die in Massen einem schnellen und namenlosen Schrecken erlegen sind. Kollidierte Fahrzeuge, von denen einige Feuer gefangen haben mussten, doch längst ausgebrannt waren. Flugzeuge, die auf der Meeresoberfläche oder in Gebirgsketten zerschellt sind. Züge, die ihren Spuren entgleist oder frontal miteinander kollidiert sind. Unzählige Seelen, die als ihre Insassen ihrem finalen Schicksal zugeführt wurden.

Zerstörte Wahrzeichen, verwüstete Wohnblöcke, Firmen- und Regierungsgebäude an deren Wänden noch das vertrocknete Blut ihrer vormaligen Residenten klebte. Zerstörung wohin das Auge reichte, doch keine Spuren von Kämpfen. Willkürliche oder aber auch gezielte Verwüstung, doch kein Anzeichen des Widerstands. Die Systeme, welche die Welt der Menschen noch gestern aufrecht erhielten, schienen auf einen Schlag in sich zusammen gefallen zu sein. Die Börsen und Weltmärkte kollabierten. Während sich neue Regierungen aus den Überlebenden und Nachzüglern bildeten, hatte das Militär alle Hände voll zu tun, die Unruhen und Vandalen in der Zivilbevölkerung in einem überschaubaren Maß zu halten. Internet und Telefonleitungen waren noch Wochen nach dem Kollaps tot und wurden nur langsam wieder ans Netz genommen… sofern die dafür nötige Infrastruktur noch funktionsfähig war. Selbst die Wasserversorgung oder aber die Wasserqualität sank in manchen Gegenden rapide in den Keller. Krankheiten machten sich breit. Friedhöfe und Felder wurden ausgehoben, von Priestern geweiht und in rasch ausgehobene Massengräber umfunktioniert, wo die Unmengen von Toten in öffentlich zelebrierten Trauerzeremonien zu Tausenden beigesetzt wurden. Und die Menschheit sah sich einem neuen, ungewissen Morgen gegenüber… während die Kinder Kains dem Ende aller Nächte nur um Haaresbreite entkommen zu sein schienen.

Wo sind sie alle hin, die Enkel des Verdammten? Die nächtlichen Jäger, die Intrigenkonstrukteure, die Diplomaten und Rebellen, die Scheusale und Schönheiten. Die Schlösser der Ahnen… die Anwesen der Ancilla… die Zufluchten der Neugeborenen… sie gähnen nun leer und trostlos vor sich hin... keine Anzeichen über ihren Verbleib außer ein Hauch von Asche, der meine Sinne umnebelt, jedes mal wenn ich Versuche ihren Spuren zu folgen.
Kein Domänen mehr, welche die Ventrue dominieren können. Keine Bewunderer mehr für die Künste der Toreador. Keine Gildenhäuser mehr, deren Flure noch von den Schülern der Tremere aufgesucht werden. Keine Grundsätze mehr, welche die Brujah mit Wort und Faust verteidigen. Kein wirrer Gedanke mehr, der sich durch die Köpfer der Malkavianer bohrt. Keine Wildnis mehr, die den Gangrel noch ein Zuhause bietet. Die Baue der Nosferatu sind nun nicht mehr einfach nur finster sondern totenstill. Ich zögere, Vermutungen über den Verbleib der Meinen anzustellen. Waren es wirklich jene, die wir solange schon in den Tiefen der Erde schlafend glaubten? Wurden sie von ihrem unermesslichen Hunger geweckt, um vor das Antlitz der Welt zu treten und Ihre Kinder und Kindes-Kinder allesamt in ihrer unerbittlichen Raserei in sich zu verschlingen? Wer glaubte denn zuletzt noch wirklich an ‘Gehenna’ und das Ende unserer Nächte? Ich selbst hätte es als ein Gerücht paranoider Ahnen abgetan. Geschaffen um Ancilla und Neugeborene zu verunsichern und von der Wahrheit hinter Ihrem über die Jahrhunderte andauernden Jyhad abzulenken.
Die Camarilla - das was einst der wahrscheinlich mächtigste Bund von Unsterblichen war, der je über die Nächte dieser Welt herrschte, scheint nun nicht mehr als ein zunehmend verblassende Erinnerung. Die bestialischen Bastionen des Sabbat… zerfallen im Schall und Rauch der Vergangenheit. Die Revolten der Anarchenbewegung - verstummte Proteste gegen ein zerfallenes System. Die kommenden Nächte sind ungewiss und noch vermag ich nicht zu erahnen, wie viele von ihnen ich noch erleben darf, ehe auch ich meinem Schicksal entgegentreten muss.

Doch nun bin ich hier… und wenn auch ich schon seit Monaten auf der Suche nach einem von unserer Art bin, so beunruhigt mich doch der Gedanke ihn zu finden. Nie waren Jagdgebiete und Ressourcen greifbarer für junge Kainskinder als jetzt. Nie waren die Fesseln, die uns das machthungrige System unserer Ahnen auferlegte, so lose wie nun. Keine Instanz mehr, welche die Einhaltung von Traditionen und gesellschaftlichen Regeln kontrolliert, keine Strafen mehr die bei ihrer Missachtung auf einen warten. Und so ich auf einen unsterblichen treffen sollte, so war der Kontrast zwischen Freund und Feind nie schemenhafter als jetzt.

Doch ich werde es nicht wagen, mich ihnen ohne guten Grund zu offenbaren. Mich kampflos zu ergeben, mir nehmen zu lassen was ich mir so hart erkämpft habe. Diese Stadt... sie ist nun Mein. Und ich werde nicht zulassen, dass man sie mir nimmt.”
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