Business as usual [offen]

[Evan Tremain]

"Durchaus. Unsere Interessen decken sich wohl in dieser Hinsicht."

Tief, sicher und bestimmt war die Stimme, keinerlei Zweifel oder Unsicherheit lagen darin. Als wäre allein der Gedanke es könnte sich anders verhalten vollkommen abwegig.

"Und nun da sie einen Gleichgesinnten gefunden haben? Was halten sie davon wenn wir dieses Gespräch auf einer persönlicheren Ebene weiterführen? An einem diskreten und vor allem für alle Parteien sicheren Ort."

Die Spannung stieg. Zumindest an diesem Ende der Leitung. Sicherlich wäre es ein Wagnis, aber es gab Momente in denen man wohl oder übel etwas riskieren musste, die allzu Vorsichtigen würden irgendwann von den Entwicklungen überrollt werden...

[Kaspar]

"PoSiTIv."

Erklang es seinerseits feststellend in einem fast militärisch anmutenden Spachduktus. Die elektronisch gefilterte Stimme verstärkte diesen Effekt zusätzlich.

"In zWeI nÄcHteN, 23:00 UhR, OlD sT. pAtRiCkS cHuRcH, NeAr WeSt SiDe."

Die Erläuterung könnte als Vorschlag gewertet werden, ließ jedoch Zweifel daran ob sie auch als solche verstanden werden wollte. Zu entschlossen und schnell kam er. Unknown Caller musste sich schon eine Weile auf dieses Gespräch vorbereitet haben.

"IcH hOfFe SiE hAbEn BeIcHtE aBzUlEgEn."

Vielleicht hätte an dieser Stelle ein amüsierter Gesprächston gut gepasst. Doch was auch immer den Anrufer künstlich verzerrte ließ kaum Rückschlüsse auf emotionalen Inhalt in seiner Tonlage zu. Ein versteckter Hinweis? Nun so versteckt dann wohl doch nicht. Die einkehrende Stille am anderen Ende der Leitung machte das Warten auf eine mögliche noch ausstehende Antwort deutlich.

[Evan Tremain]

Dreiundzwanzighundert, Old St Patricks Church, übermorgen. Verstanden."

Wurden die verzerrten Worte ebenso zackig erwidert. Ironie, Sarkasmus oder eine möglich Gemeinsamkeit? Dann war ein kurzes trockenes Lachen zu vernehmen.

"Meine letzte Beichte liegt schon ein paar Jahre zurück... Insofern hätte ich bestimmt einiges was mir auf der Seele liegt."

[Kaspar]

"RoGeR tHaT."

Bestätigte das Phantom in fortführender Manier die Kenntnisnahme der Information.

"AnGeNeHmEn AbEnD nOcH."

Folgte es dann knapp. Die Stimm würde noch kurz abwarten, ob darauf eine Erwiderung folgte, ehe ein abschließendes "Tuut tuuut tuut" verdeutlichte, dass an seinem Ende der Leitung niemand mehr anwesend war. Wozu auch den Plausch unnötig in die Länge ziehen? Die stumme Gestalt dort hinten am Horizont begann sich einen Augenblick später zu bewegen. Sie nickte kurz, was man auf die Entfernung aber vielleicht nur schwer erkennen konnte, und führte die Hand zur Stirn und gab soetwas wie eine salutierende Geste von sich, wohl eine Art von Abschied. Dann verschwand sie mit zügigen Blicken seitlich aus dem Blickfeld.

Nicht viele und doch genug Worte für einen Abend, die gewechselt wurden.

[Evan Tremain]

"Ebenfalls."

Mehr würde der Mann in der Telefonzelle nicht erwidern. Wahrlich genug Worte für eine telefonische Konversation mit einem Unbekannten und dennoch... erfrischend knapp und präzise.

[Kaspar]

Old St. Patricks Church

23:00 Uhr, zwei Nächte später

Unweit der Grenzen zu Central in der Near West Town sitzt die alte Kirchde des heiligen Patrick. Ein beliebtes Versammlungszentrum für Christen, gerade in schwierigen Tagen wie diesen. Wo noch bis kurz vor dem Blutmond vor allem heilige Messen, Gospelvorführungen und Hochzeiten stattfanden, wird das Gotteshaus in diesen Tagen nun wieder viel mehr für den Gottesdienst, das Gebet und die Rückkehr zum Glauben genutzt.

Zu später Abendstunde sind die inneren Räumlichkeiten in gedämpftes Licht gehüllt. Kerzenständer und Teelichter durchziehen die Säume der inneren Kathedrale, vor allem im vorderen Bereich des Altars. Ein paar vereinzelte arme Seelen finden sich um diese späte Uhrzeit noch auf den hölzernen Sitzbänken, entweder vertieft in stille Andacht oder im Gespräch mit geistlichen Vertretern, sofern solche anwesend und abkömmlich waren. Ein Obdachloser saß in den hinteren Reihen, den Kopf gen Boden geneigt, und wippte in einer art unruhigen Trance ständig vor und zurück, während er in sich hinein murmelte. Eine farbige Frau saß etwas weiter vorn, die Wangen von einzelnen Tränen besetzt, und starrte stumm auf das seitlich gelegene Ebenbild der heiligen Maria. Ein dritter Mann im geschäftig wirkenden Anzug saß irgendwo in der Mitte und schien einfach nur nachzudenken. Die zerfurchte Seele Chicagos benötigt viel Fürsorge und Aufmerksamkeit in diesen Tagen. Finsterer als früher noch sind nicht nur die Nächte sondern auch die Wesen, die in ihr wandeln geworden.

Die Gold verzierten Statuetten schimmerten und glänzten erhaben im blassen Licht der Kerzen. Etwas mystisches umgab diesen Ort, nicht nur für jene die vom Glauben erfüllt waren. Für andere wiederum konnte es... bedrohlich wirken. Eine Sache des Standpunktes. Die Beichtstühle standen leer heute Nacht, zumindest schien es so. War die Sünde erst noch auf dem Weg hier her?

[Evan Tremain]

Zwei Männer näherten sich der Kirche des Heiligen Sankt Patrick, beide angetan in Mänteln aus dunkler Wolle. Der eine war wohl Mitte 40, trug eine lederne Aktentasche, und sein jüngerer Begleiter mochte wohl in den Zwanzigern sein. Nachdem sie das Gotteshaus betreten und sich dabei bekreuzigt hatten, nahmen sie etwas entfernt voneinander auf den Bänken Platz. Anscheinend beendete der Ältere dort ein kurzes Gebet, während der jüngere Mann seine Aufmerksamkeit auf die Umgebung richtete.

Schließlich erhob sich der ältere Mann und ging in Richtung des Beichtstuhls. Ein amüsiertes Funkeln lag in seinen graublauen Augen, als wäre in all dem eine versteckte Ironie zu finden... so viele Jahre, so viele Sünden...

Erwartungsvoll setzte er sich in den Beichtstuhl und stellte die Tasche davor ab. Den Vorhang diskret zugezogen wartete er... in Gedanken bei den Sünden der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft.

https://www.youtube.com/watch?v=Dlr90NLDp-0

[Kaspar]

Wenige Augenblicke nur, nachdem der ältere der beiden Männer im Beichtstuhl verschwand, erschien eine weitere Figur in der Szenerie: Ein noch älterer Mann. Viel älter, soweit man das in der dämmrigen Beleuchtung ausmachen mochte. Er trat aus den schattigen Seitenbereichen des Altarbereiches hervor - er musste wohl entweder aus einer der Seitentüren gekommen oder schon die ganze Zeit dort gestanden sein. Altersfalten zerfurchten sein Gesicht, gleichsam wie etwas, das nach Narben aussah. Den kahlen Kopf bedeckte er mit einer schwarzen Priester-Kappe. Eines seiner Augen musste erblindet sein, denn es schimmerte in einem milchigen Weiß. Auch sonst wirkte er irgendwie entstellt, doch nicht genug um ihn gleich als unmenschlich zu bezeichnen. In einer schwarzen Priester-Soutane lenkte er seinen weiten Schritte entlang der Seite des Raumes, vorbei an den vielen Reihen hölzerner Sitzbänke. Ein strenger, musternder Blick wanderte über die Anwesenden während er ging, jene die seinen Blick erwiderten würden ein knappes, anerkennendes Nicken von ihm erhalten. Ein armer alter Hirte des Herren.

Ohne Umschweife steuerte der alte Priester den Beichtstuhl an, so als hätte er nur darauf gewartet, dass ihn jemand betritt. Noch ehe er den für ihn bestimmten Platz in der Mitte der hölzernen Konstruktion einnahm, wendete er sich ein letztes mal mit prüfendem Blick um.... betrachtete die Reihen, in denen die geschundenen Seelen seiner Herde saßen... aber auch jene Stellen in der Kathedrale, die dem Licht und dem Leben fern waren. Nach einer offenbar zufriedenstellenden Inspektion begab er sich ohne längere Umschweife in den Beichtstuhl.

Einige Augenblicke lang konnte der Sünder wohl hören, wie etwas den Platz am anderen Ende der Wand einnahm und er somit nicht mehr alleine war. Ein Husten folgte, kehlig und irgendwie ungesund. Dann öffnete sich die Klappe zwischen dem Priester und dem Gast. Ein Blick durch das Gatter - den man natürlich schon allein aus Anstand nicht wagen sollte - würde nur die vom gedämpften Licht beschienen Züge von des Priesters faltigem Gesicht preisgeben. Regungslos saß er dort in der Finsternis und wartete.

[Evan Tremain]

Schweigend nahm Evan den Priester zur Kenntnis als dieser sich setzte und wartete. Das Äußere des Geistlichen schreckte ihn nicht, ließ ihn nicht einmal zusammenzucken oder den Blick abwenden. Sein stoischer Blick legte die Vermutung nahe, dass er bereits viel schlimmeres gesehen hatte.

"Vater, ich habe gesündigt...."

Er wartete, legte eine bedeutungsschwere Pause ein.

"Ich habe gestohlen, gelogen und betrogen... ich habe getötet. Die Gnade des Herrn habe ich verwirkt, sie bleibt mir verwehrt bis in alle Ewigkeit."

Dem Priester schenkte er durch das Beichtfenster hindurch ein raubtierhaftes Lächeln, nun bist du am Zug schien es zu sagen. Die Frage war doch mit wem er hier gerade redete...

[Kaspar]

Der Pfaffe saß weiter regungslos in seinem hölzernen Stuhl, nur der leicht rasselnde Atem zeugte von einer Spur von Leben auf der anderen Seite des Gatters. Moment... Leben?

"Und was beabsichtigst du nun mit der Ewigkeit anzufangen, die er dir gegeben hat?"

Erwiderte eine knarzige, leicht mürrisch wirkende Stimme. Sie passte charakteristisch gut zu dem Äußeren, das man erblickte wenn man den alten Mann ansah. Ein bronchiales Husten unterbrach seinen Gesprächsfluss, das sich nicht nur ungesund anhörte sondern auch mutmaßlich chronisch sein musste.

"Nun da er sich von dir abgewandt hat. Dich allein gelassen hat unter deines Gleichen. Sich jene genommen hat, die dir einst den Weg wiesen?"

Ein Kratzgeräusch schloss seine Fragestellung ab, gefolgt von einem sich rasch bewegenden Schattenwurf, der von seinem Arm kommen musste. Ein Umstand, der den Kleriker im Gesamtbild... merkwürdiger wirken ließ als er es vielleicht sein sollte.