by Caecilia » 01 Jun 2016, 09:39
Wie die Rothaarige durch das Seitenschiff in das Innere des sakralen Gebäudes trat, umgab sie dabei nichts als Stille. Sie begleitete jene mit jedem Schritt, als wäre das Aufsetzen auf den harten Untergrund unvermeidlich zusammenhängend mit Bewusstsein, indem das regelmäßig damit verbundene Geräusch ihr Erscheinen verkündete. Die dominierende Dunkelheit dazwischen, die schien sie nicht zu stören oder zumindest soweit nicht zu verschrecken, dass es sie abhalten sollte. Und doch. In Zeiten wie diesen, sollte man es besser wissen? Oder durfte man sich sicher fühlen, in auf geweihten Boden? Schutz konnte sie sich wohl nicht von dem Schwarz der Kleidung erhoffen, ganz gleich wie weit sie auch mit der Finsternis verschmelzen mochte. Das stand fest. Noch viel mehr, als in einem scheinbar unbestimmten Moment die entscheidende Veränderung eintraf.
Kaum war der erste Weg gebahnt, hielten ihre Schritte inne. Ob gewollt oder erwartet, das spielte wohl keine Rolle? Zumindest aber zeitgleich mit dem Erhellen des Langhauses. Als hätte jemand einfach den Lichtschalter betätigt, leuchteten nun die seitlich am Altar aufgestellten 2m hohen Kerzenhalter und ließen die Augen sich umgewöhnen an das warme, aber schwache Leuchten, die die Umrisse auf die Umgebung verschärfen mochten. Von außen mochte man dabei höchstens ein mattes Dimmern durch die Fenster erahnen können.
Auf dem Gesicht Caecilias zeichnete sich jedoch nicht mehr ab, als zuvor. Die ebenmäßige Zügen wollten es nicht hergeben, wie nicht geschaffen für Veränderung. Wie nicht gemacht für Emotionen. Stoisch und kontinuierlich. Makellos und doch leer. Alles was da sein sollte, blieb eigene Interpretation? Dafür aber folgte eine verbale Reaktion. Kein Fokus gesetzt. Der Blick aus den stillen Augen ging irgendwo in die Richtung der verbliebenen, aber doch eher schmucklosen, vermutlich nachgebildeten Reliquien.
„Mh.“ kommentierte sie das Geschehene, oder vielleicht auch nur das Bildnis Jesu, das sich vor ihr auftat. „Wie dramatisch.“ eine nüchterne Feststellung, aber vielleicht mit einem Hauch Sarkasmus im dunklen Unterton.
Und seitlich zu ihr, aus der vordersten Reihe der alten Holzbänke, kam – wenn auch in einiger Verzögerung – eine Erwiderung. Ebenso ruhig, aber vielleicht mit dem Klang von Amüsement. „Ich dachte mir, dass es dir gefallen würde.“
Der Sitzende trug ebenfalls schwarz, aber wohl in einer traditionelleren Form als sie. Passend zur Umgebung war es eine Soutane gekleidet, von der das weiße Kollar neben ihm abgelegt auf einer abgetragenen Bibel lag. Um sein Handgelenk, zweimal umschlungen, hing das Kreuz eines silbernen Rosenkranzes, den man als einzigen Schmuck ausmachen konnte. Von der Statur mochte man erahnen können, dass er unter der Robe sportlich sein wollte, während die Körperhöhe durch die Haltung nur zu erahnen blieb. Sein Haar zeigte sich kurz und dunkel, im Gesicht trug er einen gestutzten Vollbart, der sein Gesicht schmaler wirken ließ, als es vielleicht war.
„Erfreulich, dass du meiner Einladung folgen konntest.“ es klang beiläufig, als er weitersprach, aber doch noch immer als konnte sich die leichte Erheiterung im Hintergrund nicht völlig verlieren. „Ich musste schon fürchten, du würdest mich versetzen.“ und damit erhob er sich in einer fließenden Bewegung, um mit einem längeren Blick gen Altar sein Haupt minimal zu neigen und sich dann ihr zuzuwenden. Sie so betrachtend, war es, als sähe er sie dennoch zum ersten Mal, oder als suche er etwas an ihr, dass ihm unbekannt war. Man mochte es schwierig einzuschätzen wissen. Gleichzeitig jedoch schien sich auf ihre Position ein wenig zu verändern. Ihr Kopf drehte sich seitlich, nachdem ihre Pupillen bereits seitlich in seine Richtung vorgewandert waren.
So kehrte nur ein Moment des Schweigens ein, in welchem sich beide ansahen und wohl nichts offensichtliches geschah. Solange bis zu der Sekunde, in der er sich langsam auf sie zu bewegte, ohne dass sich von ihr eine weitere Regung zeigte. Als könnte sie die eingenommene Position nicht verlassen. Als musste gehalten werden, was ihres war. Eisern. Einzig ihr Fokus galt ganz ihm, als hätte sie all ihre Wahrnehmung auf den Dunkelhaarigen konzentriert.
Kurz vor ihr erst, hielt er inne. Als hatte er jeden Schritt austesten müssen. Die Nähe, so nah, als erwarte er, sie würde jede Sekunde weichen oder...auch nicht. Und so lächelte er auch nur passend zu seiner Tonlage. Denn in seiner Mimik war deutlich mehr zu lesen, als gab er dieses vor. Die Hand mit dem Rosenkranz hob sich, sodass INRI zwischen ihnen baumelte, als Zeigefinger und Daumen ihr Gesicht berührten. Als wollten sie es jede Sekunde einmal nach links und dann nach rechts wenden.
„Es fehlt etwas an Liebe...“ betrachtete er sie mit scheinbar eingehender Erkenntnis, bis aus einem Lächeln ein Schmunzeln wurde. Nicht zuletzt wohl, weil ihre Augen für den Bruchteil seiner Aussage ein Stück wankten. Ein Stück wackelten, als ob sie hin und her pendelten, aus dem Sockel gehoben. Dennoch verblieb ihre Stimme wie auch der Rest an ihr, unverändert.
„Ich bin sicher, dass du nicht den weiten Weg auf dich genommen hast, um mir das zu sagen.“ nüchtern und wieder mit dem Hauch von Sarkasmus. Als hätten beide ihre festen Rollen zugewiesen bekommen, die sie nun vertraten.
Ohne weiter darauf einzugehen, sondern es lediglich bei seinem Gesichtsausdruck zu belassen, fuhr er fort.
„Wie die Vögel so zwitschern, interessierst du dich für einen der neuen Funde der koptischen Kunst. Und wie ich weiß, ist es immer besonders schwierig an so ein seltenes Stück zu kommen, wenn es unter kirchliche Reliquien fällt...“
Von draußen bekam man davon wohl nichts mit. Und man musste wohl auch eine sehr lange Weile dort verbringen, um eine nächste Regung von dem Bauwerk ausmachen zu können.
From the same source I have not taken
My sorrow; I could not awaken
My heart to joy at the same tone;
And all I loved, I loved alone.