Ein Menschenleben würde wohl kaum ausreichen um eine Stadt wie diese vollständig kennenzulernen, geschweige denn die wenigen Jahre die er bisher hier verweilte. Allerdings hatte ihm mal jemand gesagt, der beste Weg eine Stadt zu erkunden, ein Gefühl für ihr Wesen zu entwickeln, wären ausgedehnte Spaziergänge.
Im "The Backroom", an der Bar hatte ihm ein junger aber erfolgloser Musiker diesen Tipp gegeben. Von der inspirierenden Atmosphäre der Carrol Avenue gesprochen, hatte Elias auch nach einigen Drinks von dem Zugang am House of Blues erzählt. Wenige Minuten des 'Googlens' später war der Entschluss gefasst und wenige Nächte später war er nun hier, schlenderte die großtenteils unterirdische Carroll Avenue entlang.
Von Wolf Point bis zum Fuß des Trump Tower, früher einmal eine äußerst wichtige Industriestraße, ist die Caroll Avenue inzwischen etwas verfallen. Doch noch immer nutzen Geschäfte und Firmentrucks sie, auch wenn seit über einem Jahrzehnt keine Schienenverkehr mehr existiert, für die Zulieferung.
Elias schreitet über die gesprungenen, mit Kratern übersähten Platten des Gehwegs, verschlossene Türen, Zäune, Rohre und offenliegende Kabel, sogar eingezogenen Mauern säumen die Straßenseiten. Manches ist sichtbar und vieles bleibt verborgen in der von einzelnen Lampen erhellten Dunkelheit. Der schlanke junge Mann bewegt sich jedoch mit einer Zielsicherheit durch das dämmrige Zwielicht und die Finsternis, die einem normalen Menschen nicht gegeben ist. (Auspex 1)
Des Nachts sicherlich ein gruseliger Ort, zumindest wenn man Angst im Dunklen hat. Ein einsamer Müllwagen kommt ihm entgegen, das spärliche unterirdische Licht mit seinen Scheinwerfern verstärkend. Einige Augenblicke verharrt Elias geblendet durch das grelle Licht, dann ist der Truck vorrüber und er geht weiter. Atmet die Atmoshäre, während seine Füße ihn weitertragen. Vorbei an einem Notausgang, der Red Line, wohl der Evakuierungsweg von dem er gelesen hatte. Dann müsste er etwa auf halber Strecke zwischen Grand and State und Lake station sein. Bisher war er überall gut durchgekommen und hoffentlich blieb das so, inspirierend war es allemal.