Der schwere Teppich dämpfte seine Schritte, als er sich vorbei an den zahlreich aufgestellten Tischen und Stühlen hinüber zur östlichen Wand der Lounge machte. Das Stimmengewirr, das Klackern von Würfeln, das Klirren von Gläsern, man hörte seinen Namen. Man grüßte ihn hier und da. Es roch nach Zigarren und Brandy. Und mit all den Kronleuchtern und alten Wandverzierungen, mit seinem hellen Anzug aus den 30ern, da mochte man sich gern in eine andere Zeit versetzt sehen. Hier war es friedlich, nahezu utopisch fröhlich. Die Menschen waren ausgelassen, verprassten ihr Geld, aßen und tranken. Genossen die gediegene Musik. Die Roulettekugel sprang in die 35.
Nur einzelne Details waren es, die verrieten, wie die Wahrheit dahinter aussah. Die herum streunenden Kellner trugen Knöpfe im Ohr und eine elektronische Anzeigetafel nahe der Pokerrunde verkündete gerade den Gewinn bzw. den Verlust von läppischen $20 000 an. Und auch er war gebranntmarkt. Denn unter seinem Arm trug er ein dünnes, elektronisches Gerät, das beim zweiten Blick als Tablet offenbart werden wollte. Die Zeit hatte alles eingeholt. Vor allem aber ließ sie nichts anderes mehr zu. Ohne die Moderne mit all der Technik, wie hätten sie sich abschotten können. Von der faulenden Saat.
Am Zielort angekommen, bedachte er ihre hochgewachsene Erscheinung, wie sie dort so ungerührt stand, als hatte sie ihn gar nicht wahrgenommen. Als nahm sie nichts um sich herum war. Sein Blick aus den dunklen Augen wanderte einmal an ihr herab und wieder herauf. Wie immer trug sie schwarz. Hochgeschlossenes Schwarz und das Haar wand sich einmal geflochten um den eigenen Kopf herum. Hier in dem warmen Licht mit einem bräunlicheren Schimmer hinter all dem Rot. Das Haupt leicht nach hinten gelegt, bedachte sie die Fresken an der Decke. In ihrer behandschuhten Linken hielt sie ein gefülltes Weinglas und am gleichseitigen Arm den eigenwilligen Schmuck. Dieses Armband, das sich wie eine Skeletthand um ihr Gelenk schlang, als wäre es dafür geschaffen worden.
Er lächelte leicht, bevor er auf sich aufmerksam machte. Ein leichtes Räuspern, aber mehr auch nicht. Der Höflichkeitsabstand behielt sich bei, bis ihre Mimik sich nach einem längeren Moment ihm zudrehte. Und dabei war es wie immer, dass er kurz innehielt. Um sie zu studieren. Ihren Züge. Die Ebenmäßigkeit darin. Als sei sie irdisches Wesen. Dann grüßte er sie. Nicht auf Englisch, um ihr gleich ein Kompliment auszusprechen. Zumindest mochte man das glauben, wenn man der Sprache nicht mächtig war. Seine Augen erzählten dafür genug. Gleichzeitig nahm er die dargebotene Hand und deutete einen Kuss auf den Stoff an. Und es war nur eine Frage der Zeit, bis sie sich in zwei Sessel abseits des Geschehens niederließen.
Seine Finger zogen über das Display hinweg, zeigten den schweren Siegelring an seiner Rechten, während das kränkliche Licht Bilder vorbei ziehen ließ. Zu jedem hatte er anscheinend etwas zu berichten, zumindest redete er deutlich mehr als sie. Ob sie jedoch besonders davon angetan sein wollte, das blieb wohl offen. Denn nichts in ihrer Mimik kommentierte das Gesehene mit irgendeiner Wertung. Da waren nur der nahezu farblose Fokus, der betrachtete. Hier und da hob sie ihr Glas ein wenig an, jedoch nur um den Inhalt ein wenig hin und her zu schwenken. Als sei es ein Accessoire, dessen man sich eben bediente.