Merry X-Mas [Bookman's Corner, Lake View - MS] (offen)

[Rafael]

Rafael nimmt die Annahme seiner Entschuldigung mit einem Nicken entgegen, wie er zu fast allem positiv zu stehen scheint. Nur ein Punkt findet nicht seine Zustimmung.

"Ein Fluch? Mitnichten, da bin ich anderer Meinung. Dieser Zustand gibt uns das Wertvollste - Zeit. Zeit zum Üben, zum Lernen, zum Denken. Alle großen Philosophen hatten Zeit, die sie auch weidlich genutzt hatten. Stellen Sie sich vor, was wir schaffen könnten, wenn wir uns nicht gegenseitig an die Gurgel zu gehen drohten.

Das Tier ist beherrschbar, mindestens durch Sättigung, die sich auch nicht fatal auswirken muss. Die Spender wären direkte Nutznießer der Denkleistung, also könnte man es sogar als Tauschgeschäft ansehen.

Ich weiß, ich weiß; utopisch, blauäugig und was sonst noch alles."

Lächelnd winkt er seine eigenen Worte ab.

"Aber ich freue mich, in Ihnen eine Person gefunden zu haben, die in wesentlicher Menge in die gleiche Richtung kommuniziert."

[Elias]

Ein leises Lächeln umspielt seine Lippen als Elias die Entgegnung Rafaels hört. "Oh, unsere Existenz bringt sowohl Vorteile als auch negative Aspekte und ich weiß die positiven durchaus zu schätzen. Es ist sozusagen Fluch und Segen zugleich, ich sagte nur Fluch weil ich der Überzeugung bin, dass der Ursprung unserer Art wirklich in einem Fluch liegt."

Im Gehen hielt Elias nun kurz Inne und deutete eine leichte respektvolle Verneigung an.

"Die Freude ist ganz auf meiner Seite, es gibt wie gesagt eine erfreuliche Schnittmenge."

Er nahm die Schritte wieder auf, passte sich wieder dem Tempo Rafaels an und gab dem anderen Raum Gedanken in Worte zu fassen.

[Rafael]

Rafael erwidert die Verneigung. Beim Weitergehen sinniert er kurz über das bisher Gesagte nach.

"Interessieren sie sich hauptsächlich für monotheistsche Arbeiten? Ich habe in Ihrem Stapel keine Werke über den Islam gesehen, aber auch keine östliche Philosophien."

Es klingt beiläufig, aber er erweckt vielleicht so ein bisschen den Eindruck, als wolle er sich nach seine Tirade selber ein bisschen zurücknehmen und den anderen reden lassen.

[Elias]

Die Schritte der beiden nächtlichen Spaziergänger hallen durch die fast leeren Straßen Lake Views. Elias konnte sich angesichts Rafaels Frage ein Schmunzeln nicht verkneifen.

"Nun, mein Glaube ist der christliche, dementsprechend haben monotheistisch-theologische Werke eine grundlegende Bedeutung für mich. Die Bücher im Stapel waren allerdings eher dem Zusammenfall von Interesse und zufälligem Finden geschuldet. Grundsätzlich findet so gut wie jede Religion und Philosophie mein Interesse. Der Islam zum Beispiel ist eine faszinierende Religion und unter den fernöstlichen Philosophien finden sich einige Konzepte, die sogar im Umgang mit dem Tier hilfreich sind."

[Rafael]

Obwohl die Zeit vorangeschritten ist, ist der Spaziergang alles andere als langweilig. Das Wetter ist alles andere als warm, aber das hält nur sowieso unerwünschte Passanten ab.

"Meinen Sie die Kontrolle darüber? Ansonsten kann ich mir eher eine Rechtfertigung darüber vorstellen, was geschehen ist und wie das in den Weltenlauf einzupassen wäre? Von diesem Konzept höre ich zum ersten Mal."

Rafael scheint ehrlich erstaunt zu sein, aber drängt nicht weiter, sondern lässt es bei diesen Sätzen bleiben.

[Elias]

"Kontrolle wäre vielleicht übertrieben. Zudem bin ich in diesem Lehren nicht besonders bewandert, aber der weglose Weg des Zen könnte sich als hilfreich erweisen. Leider ist mein Denken wohl in weiten Teilen recht westlich, daher fällt es schwer sich auf bestimmte Dinge einzulassen." dabei möchte er es anscheinend bewenden lassen, denn er schweigt. Allerdings ist Elias anzusehen, dass seien Gedanken weiterwandern, weiter in eine verwandte, doch andere Richtung.

"Wir haben von Koexistenz, Seiten und Interessen gesprochen. Was mich jedoch wirklich interessieren würde, vor allem in Hinblick auf Ihre Gedankenspiel vorhin, ist Ihr Blickwinkel auf das Verhältnis zu den Menschen."

Elias wirkte ehrlich interessiert, viele Kinder der Nacht verloren mit der Zeit den Kontakt und den Blick fürs Wesentliche. Wie war es wohl um diesen hier bestellt?

[Rafael]

"Interessante Frage. Aus den Menschen sind wir entstanden, in ihren Kreisen bewegen wir uns, aber wir nähren uns auch von Ihnen. Eine durchaus ambivalente Beziehung, meinen Sie nicht auch?

Da wir ihnen, außer in unserer Verwundbarkeit, überlegen sind, gibt es für uns genau drei Wege, finde ich. Unterdrückung, Ignoranz und Unterstützung. Ich persönlich habe mich für letzteren Weg entschieden und versuche, das Leid in den Slums etwas zu lindern. Nur im Rahmen meiner Möglichkeiten, allerdings, ich sehe mich nicht als den großen Weltenretter."

Nach ein paar Schritten gibt er die Frage zurück.

"Was stellen Menschen für Sie dar?"

[Elias]

"Eine interessante Sichtweise. Ich bin ein Freund von Grautönen und wandle dementsprechen auf allem drei von Ihnen genannten Wegen, mache es von meiner persönlichen Wertschätzung des Einzelnen abhängig. Doch vielleicht neigt sich die Waage auch bei mir in Richtung Unterstützung. Die Wurzeln unseres sterblichen Daseins reichen nunmal tief und beeinflussen uns bis in diese Existenz hinein. Wie sie vielleicht schon erahnt haben war ich einmal ein Diener Gottes, Hüter und Hirte der Gläubigen.

Die Arbeit in den Slums ehrt Sie Rafael, ich weiss wie es in den Elendsvierteln aussieht und dass, auch wenn die Mühsal vergeblich erscheint... geben Sie nicht auf, ich bin sicher den einzelnen Menschen dort bedeutet es sehr viel."

Duch die menschenleeren Strassen weht inzwischen ein noch kälterer Wind, während ihre Schritte, Worte und Gedanken sie imme weiter forttragen.

[Rafael]

"In diesen sogenannten Slums ist es nicht so, wie einem die Medien, Flugblätter und so weiter weismachen wollen. Keine Mauer dieser Welt oder einer anderen würde derart verzweifelte Menschen aufhalten können, die den Tod dem Hunger vorziehen.

Aber ja, man kann einigen von ihnen helfen, das ist richtig. Die meisten wollen ihre Lage verbessern und brauchen dazu meistens nicht viel.

Insofern bin ich wohl Hüter und Hirte der Elenden."

Der letzte Satz wird mit einem freudlosen Lächeln ausgesprochen, aber dann schiebt Rafael noch einen nach.

"Aber wenigstens nicht der Einzige."

[Elias]

"Das weiß ich, ich war dort."

Ein mindestens ebenso freudloses Lächeln zeichnete sich auch in Elias Zügen ab.

"Manchmal ist es gut und richtig zu helfen, auch wenn diese Hilfe manchmal schmerzhaft und nicht willkommen ist.

Manchmal braucht es die helfende Hand die einem Menschen wieder auf die Beine hilft, einem verdurstenden das Wasser reicht... doch manchmal braucht es auch die strafende Hand der Vergeltung um den Weg zu weisen. Aber Sie hätten die Ghettos wohl kaum so lange überlebt wenn Sie das nicht wüssten.""