Der kleine Laden mag ja nicht der einzige Ort sein, in dem es um Bücher geht, aber er soll der beste sein, gerade wenn außergewöhnlichere Literatur gesucht wird. Es ist bald Weihnachten und dazu kommt der Jahrestag des Blutmondes. Beides Gründe, in sich zu gehen und einem wichtigen Personen etwas zu erstehen, dass sie vielleicht erfreuen wird.
Rafael steht vor dem Laden und steckt einen kleinen Zettel in seine Manteltasche, wahrscheinlich die Adresse, die er gerade gefunden hat. Er ist alleine, und das ist gut so. Heute wird er sich vielleicht in Bücher vergraben, da kann er niemanden um sich haben, der ungeduldig, uninteressiert oder unleidlich ist. Er horcht auf; gerade ist es still geworden um ihn herum, einer dieser magischen Momente in großen Städten, als wollten sie Luft holen, um dich danach weiter und noch mehr anzubrüllen. Kurz genießt er die Stille um sich herum, als sich auch schon wieder Motorenlärm ankündigt.
Die Auslagen sehen ganz nett aus, aber in ihnen scheint nichts enthalten, was ihn interessieren würde. Aber er gehört auch nicht zur Laufkundschaft, er verlässt sich auf Mundpropaganda. Lindsay hat geradezu von diesem Laden geschwärmt, wobei er sich gar nicht vorstellen kann, dass diese Frau ausreichend Zeit hat, ein Buch auch nur aufzuschlagen. Nun denn, die Nacht ist jung und er hat viel zu finden.
Er öffnet die Tür und es - bimmelt. Nicht elektronisch, tatsächlich ist ein kleines Glöckchen über der Tür angebracht; gleichzeitig driftet ihm ein Geruch entgegen, der Erinnerungen an frühere schöne Tage weckt. An Bibliotheken, Gedichtbände, Rezitationen und Vergleiche. Früher hatte er sich viel Zeit genommen, um zu lesen, aber das wird nun schwerer und schwerer. Das Wissen aus Büchern hat für ihn noch immer einen anderen Stellenwert als diese Wolkendaten, die die jüngere Generation aktuell bevorzugt. Für die schnelle Information gedacht, erreicht ein Netzartikel selten die erforderliche Tiefe. Dafür hat er zwar Weiterleitungen zu anderen Artikeln, aber nichts ist so erfüllend wie ein gutes Buch in einem bequemen Sessel, findet er.
Rafael beeilt sich, hineinzukommen, um nicht zu viel Kälte in den Raum zu bringen und schließt die Tür gleich wieder.