Walk at Night [NN/Milton Olive Park] Clara de Vries (offen)


Walk at Night [NN/Milton Olive Park] Clara de Vries (offen)

Postby Amalia Winter » 26 Nov 2015, 16:13

Es war am späten Abend, der Himmel war sternenklar es war recht kühl, als durch den Milton Olive Park eine Gestalt wandelte. Bei genauerer Betrachung würde dem Beobachter wohl auffallen, das es sich ganz offensichtlich um eine Frau handelte. Sie trug ein schwarzes Sommerkleid, dazu passende Pumps. Das braune, lange Haar war hoch geflochten und mit einer silbernen Haarndel fest gesteckt. Die Augen hatten eine smaragdgrüne Farbe und die Lippen waren rubinrot. Sie trug eine kleine schwarze Handtasche um die Schulter.

Aus eben dieser Handtasche zog sie kurz darauf ein Stofftaschentuch aus feinster Seide. Gekonnt nahm sie das Taschentuch in die Hand und tupfte damit ihre Lippen, sowie die Mundwinkel ab. Das Taschentuch hatte danach eine blutrote Farbe an einigen Stellen. Scheinbar von dem Lippenstift der wohl noch nicht ganz getrocknet war. Auch ihre Stimme war kurz darauf zu vernehmen. Wo man eigentlich einen warmen Ton erwartete war nur kühles, emotionloses fluchen. Scheinbar ärgerte sie sich über einen Fleck auf ihrem Kleid.

Mit eleganten Schritten ging sie gemächlich am Ufer des Lake Michigan entlang. Auf der anderen Seite der Park. Der Ausdruck auf ihrem Gesicht schien außerordentlich zufrieden. Ihre Wangen hatten eine rosige Farbe. Als sie etwas weiter innen im Park angekommen war, nahm sie auf einer nahen Bank in einer einzigen beflissenen Bewegung platz. Die Augen in weiter Ferne. Sie schienen verzaubert, nein fasziniert von irgendetwas. Nicht auszumachen was genau sie ansah. Ein seltsames fast unheimliches Bild, für eine doch so kühle Nacht...
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Re: Walk at Night [NN/Milton Olive Park] Clara de Vries (off

Postby Clara de Vries » 26 Nov 2015, 21:07

Und irgendwo hinter ihr, niemand hätte es so ohne Weiteres in der düsteren Stille der Nacht vermutet, erklang dann wie aus dem Nichts eine helle, eindeutig weibliche Stimme. Dies war insofern ungewöhnlich, als das naturgemäß um diese Zeit nicht sehr viele Nachtschwärmer ihren Weg hierher fanden. Gewiss mochten früher einmal, als die Zeiten anders gewesen waren, alle möglichen Gestalten hier des Nachts ihr Unwesen getrieben haben; Junkies, Jugendbanden und Obdachlose. In der heutigen Zeit jedoch war Chicago, zumindest was die nobleren Viertel betraf, aber eine schier uneinnehmbare Festung geworden. Patrouillierende Überwachungsdrohnen und beständige Polizei und/oder Konzernpräsenz, machten selbst der beinahe harmlosen Kleinkriminalität die Arbeit schwer und damit das Leben der gutsituierten Einwohner des Zentrums, um einiges angenehmer. Wenn man es sich denn leisten konnte. Für den kläglichen Rest gab es nur das verfallene Ödland jenseits der Barriere.

„Es ist schon seltsam was man alles auf sich nimmt für einen Moment der Ruhe und des Friedens“, hörte man die Stimme sprechen. Kurz darauf, ließen einige knappe Schritte vermuten, das sich die fremde Person ein Stück weit der Parkbank näherte auf der sich Amalia just niedergelassen hatte und verträumt in die Leere blickte. Eine Leere, die sie wohl augenblicklich mit ihren eigenen, sehr persönlichen Gedanken zu füllen gedachte. Die Schritte stoppten geradewohl auf Höhe der Parkbank und offenbarten eine hübsche Dame, die es Amalia gleichtat und mit einem etwas leeren Ausdruck in den funkelnden Augen, das nächtliche Panorama vor ihr in sich aufzusaugen schien. Wie als wäre es eine knappe Momentaufnahme, ein winziger Abriss eines glückseligen Augenblicks solch ungeahnter Größe, den es festzuhalten galt um ihn nie wieder zu vergessen. „Was ist schon ein wenig Kälte im Vergleich zu diesem Augenblick? Viel zu schnell vergeht die Zeit und wir hechten ihr hinterher ohne einmal inne zu halten, ohne auch nur einmal nach links oder rechts zu blicken. Und nicht ein einziges Mal fragen wir uns, ob wir nicht etwas übersehen haben… untergegangen im Trubel und der Hektik des Alltags. Ich glaube nur wenige nehmen sich die Zeit um genauer hinzusehen.“

Schmunzelnd, drehte die Dame langsam ihren Kopf in Richtung Amalia und schenkte ihr ein freundliches Lächeln, die Hände tief in den Taschen ihrer allem Anschein nach, recht kostspieligen Jacke vergraben. „Verzeihen sie mir wenn ich ihre nachdenkliche Ruhe gestört haben sollte aber ich muss zugeben, dass selbst das Bild ihrer verträumten Einsamkeit hier auf dieser Parkbank, fernab des nächtlichen Pulsschlages der Straßenschluchten, eine wundervolle Gesamtkomposition darstellt. Selbst dann noch, wenn sie sich damit ohne Zweifel eine satte Erkältung zuziehen werden.“ Ein knappes Schulterzucken, das ohne Frage die Besorgnis um Amalias Gesundheit zum Ausdruck bringen wollte.

„Was sehen sie, wenn sie ihren Blick über diese dunklen Wasser gleiten lassen?“ In der weichen Stimme der Frau, lag ehrliches Interesse und eine kaum zu unterdrückende Neugier.

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Re: Walk at Night [NN/Milton Olive Park] Clara de Vries (off

Postby Amalia Winter » 27 Nov 2015, 14:02

Regina stand noch völlig neben sich, so nahm sie auch die weibliche Stimme erst überhaupt nicht wahr. Ich meine normalerweiße ist um die Uhrzeit niemand mehr groß allein im Park zu finden. Meist schon gar keine Frau. Auch das riesige Konzernaufgebot an Sicherheit, mochte vielen nicht unbedingt ein erhöhtes Sicherheitsgefühl, sondern vielleicht viel mehr das Gefühl einer Überwachung zu eigenen Zwecken geben. Doch das war nur die subjektive Meinung einiger Bewohner im inneren dieser Überwachung. Der "Pöbel" außerhalb begann schon langsam gegen diese Ausgrenzung zu protestieren. Er fühlte sich zu unrecht behandelt. Nun möglicherweise war das auch so. Aber was kümmerte das schon den ehrlichen und meist reichen Bürger innerhalb dieser Mauern. Jedenfalls näherte sich die Dame Regina ohne das diese zuerst Notiz von ihr nahm.

Erst als diese schon fast bei Regina stand und sprach, schien sich etwas in den Augen von ihr zu verändern. Es lag nicht mehr diese Ferne in ihren Blick. Auch als die Frau sich immer weiter der Parkbank näherte und dann stoppte. Es war fast so als spitzen sich Reginas Ohren, falls es da etwas zum spitz werden gab. Aber sie schien ganz klar aufmerksamer zu sein, als noch den Moment zuvor. Erst als sie relativ nah bei Regina stand und wieder etwas sagte, löste sich die "Starre" von Reginá vollends. Sie drehte langsam ihren Kopf in die Richtung des Neuankömmlings. Ihre smaragdgrünen Augen lagen auf der Frau. Kein mustern, nicht mal etwas was man als wahrnehmen bezeichnen konnte. Der Blick war zwar auf sie gerichtet aber immer noch leer. Nur langsam kam die Farbe zurück in die sonst so vollen Augen. Dann mit beinahe schon trister Stimme antwortete Regina:

"Nun es scheint nicht mal in mitten der Nacht, in mitten eines Parks findet man diesen Moment der Ruhe. Nicht störend der Kälte nur den Augenblick suchend. Doch was solls, so ist nun mal das "Leben". Oh und Zeit Liebes ist für manche von uns relativ. Lass dir sagen ein paar wenige Elektierte von uns haben so viel davon, dass man es als eine Ewigkeit betrachten könnte. Aber ich stimme dir zu, nur wenige sehen die wirkliche Schönheit die direkt vor ihnen liegt. Traurig..."

Regina erwiderte das Lächeln als die Dame ihr ein Lächeln zuwarf. Jedoch wirkte es fast schon aufgesetzt. Dieser Abend war kein glücklicher Abend es war nun etwa genau 7 Jahre her als sie... Nun sie kam jedes Jahr um diese Zeit in genau diesen Park um sich an jemanden zu erinnern. Noch nie zuvor wurde sie dabei gestört außer heute. Aber was sie eigentlich wütend machen sollte, stimmte Regina nur noch trauriger. Es ging sogar soweit das die Trauer ihr offen anzusehen war. Doch ging sie nicht weiter darauf ein. Vielleicht weil sie gar nicht genauer darauf eingehen wollte. Oder weil es sie immer noch zu sehr schmerzte. Erst jetzt musterte sie die Frau ihr gegenüber eindringlich. Es war fast so als wäre ihr diese jetzt erst wirklich aufgefallen. Mit monotoner Stimmlage ohne einen Anhang von Gefühl in der Stimme, fügte sie dann hinzu:

"Oh nicht doch... es gibt nichts zu verzeihen. Nun wo ihr schon mal hierseit, dürft ihr mir auch gerne Gesellschaft leisten. Vielleicht erwärmt ja eure Gesellschaft auch mein kaltes Herz um dieser "Erkältung" vorzubeugen. Und wenn nicht... so bin ich mir sicher ihr schafft es trotzdem etwas Leben in diese blassen Wangen zurück zutreiben..."

Als sie geendet hatte war für einen Sekunden Augenblick, so etwas wie der pure Raubtierinstinkt in ihren Gesichtszügen zu lesen. Vielleicht aber nur so lange das man sich auch hätte täuschen können. Dieses mal war es an ihr zu Schmunzeln. Kein aufgesetztes, es schien als habe sie soeben etwas ernsthaft erheitert. Ihre smaragdgrünen Augen hatten einen ganz anderen Glanz als zuvor. Vielleicht würde es einem sogar einen kalten Schauer über den Rücken jagen. Diese so plötzliche Veränderung in der ganzen Art der Dame. So sprach sie mit nun warmer und mit süßem Nektar beträufelter Stimme gen Clara:

"Möchtest ihr euch nicht etwas näher zu mir setzen? Dann erzähle ich euch auch gerne was meine Gedanken waren, als ich den Blick über dieses dunkle Wasser hab gleiten lassen."

Es lag schon fast etwas verführerisches in der Stimme. Regina löste ihre Hand die auf ihrem Schoß ruhte und streckte sie in Richtung Clara. Sie bot ihr ihre Hand an sich zu ihr zu setzen. Ihr Blick war freundlich, einladend, einer warmen Umarmung gleich...
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Re: Walk at Night [NN/Milton Olive Park] Clara de Vries (off

Postby Clara de Vries » 27 Nov 2015, 19:59

Die Dame, die unlängst der Parkbank ihre Hände nach wie vor in den Taschen ihrer Jacke vergraben hatte, wirkte überraschenderweise keineswegs irritiert, als sie ihren Blick etwas länger auf die, für diese Jahreszeit viel zu knapp bekleidete Dame richtete und ihr ohne Ungeduld oder Verwunderung, jegliche Zeitspanne zugestand, die sie brauchte um wieder aus ihren weit in die Ferne gerichteten Gedanken erwachen zu können. Abwartend ließ Clara sie die richtigen Worte finden und es mochte gar den Anschein haben, als wären ihr solch eindrückliche, verzückte Momente in welchen man nur mit sich selbst, seinen Gedanken und der Welt allein widerfand, durchaus bekannt. Wenn man in diesem ‚Augenblick‘ war, so ganz und gar in diesen ‚Moment‘ eintauchte, dann wurde alles rings um einen ein ganz kleines Stück weit weniger bedeutsam und so nahm sie auch keinen Anstoß an ihrer Wortwahl oder fühlte sich im Nachhinein gar unerwünscht.

„Zeit…“, führte sie etwas versonnen aus. „Die Zeit ist etwas sehr Relatives ja, da kann ich ihnen nur voll und ganz zustimmen. Für die einen ist sie ein rasender Blitz, viel zu schnell vergangen. Die anderen wünschten der Augenblick könnte ewig währen und all die Minuten und Stunden, mögen sich wie ein schwerfälliger Koloss, in die langsam dahinkriechende Unendlichkeit ausdehnen.“ Ihre Mundwinkel hoben sich ein klein wenig. „Ich glaube aber das es nur darauf ankommt, wie wir darüber entscheiden, was wir mit der Zeit die uns gegeben ist anfangen wollen und ob wir, genau wie an diesem kühlen Abend, uns auch die Zeit dafür nehmen, Schönheit in den kleinen und alltäglichen Dingen zu suchen. Selbst wenn wir dafür die Möglichkeit in Kauf nehmen, darin gestört zu werden.“ Langsam drehte sie ihren Oberkörper in Amalias Richtung und obgleich sie in der Dunkelheit der Nacht, nur schwer im Detail zu erfassen war, bot ihre Erscheinung dennoch einen erfreulichen Anblick. Fahle und ebenmäßige Haut, auf die dezentes Make-up aufgetragen worden war, umrahmt von vollem Haar das nicht ganz schwarz zu sein schien. Vermutlich ein dunklerer Braunton. Die klaren Augen funkelten, als sich die Reflexion des mondbeschienenen Gewässers darin spiegelte und tatsächlich, sie waren ebenso grün wie die ihrer abendlichen Gesprächspartnerin. Beinahe sah sie aus wie eine Variante ihrer selbst, ein Spiegelbild oder vielleicht sogar eine Schwester. Man hätte sie auf jeden Fall sehr gut nebeneinander stellen können, hätten wohl manche argumentiert. Ihre Bekleidung war herbstlich gehalten. Dunkle Farbtöne dominierten die ihr bis knapp unter die Hüfte reichende, gefütterte Jacke ebenso wie ihre eng anliegenden Jeans in tiefem Navy-Blau. An ihren Füßen trug sie die neueste Modeerscheinung: Robuste Timbers mit niedrigen Absätzen. Insgesamt bot sie eine zeitgemäße aber nicht sonderlich weiter auffällige Erscheinung, obschon ihr hübsches Gesicht ohne Zweifel, den einen oder anderen gerne etwas länger hätte hinschauen lassen wollen. Sie schmunzelte, als sie sich langsam in Bewegung setzte und näher an die Sitzgelegenheit trat. Da war auch der erste kleine Ansatz von Verwunderung in ihrem Gesicht zu lesen, der sich wohl als Antwort auf die leichte Traurigkeit und Betrübnis, der Dame neben ihr gebildet hatte. Offenbar wollte sie diese aber zunächst noch nicht darauf ansprechen; möglicherweise auch einfach der Höflichkeit wegen. Schließlich kannte man sich ja auch noch überhaupt gar nicht. Ihr Kopf schüttelte sich sachte aber in ihrem Blick lag kein Argwohn oder Missfallen.

„Ich glaube nicht, das ich mich sonderlich gut dazu eigne jemandes Herz zu erwärmen oder ihnen neues Leben ihn ihre etwas kühlen Wangen zu treiben. Unser Leuchten, das wir der Welt mit uns selbst schenken, kommt aus unserem Inneren und nur sie allein wissen, was ihr Innerstes zum Strahlen bringt. Sie allein, niemand sonst.“ Sie setzte sich lächelnd im Abstand von ungefähr einer Unterarmeslänge, neben ihr auf die Parkbank und überschlug wie ganz selbstverständlich die Beine. „Und damit meine ich natürlich nicht die rein profanen Dinge wie belebende Vitae oder die liebevolle, wenn auch größtenteils nur zweckmäßige Zuwendung von sterblichen Menschen.“ Der kaum unterdrückte Raubtierinstinkt in den attraktiven Zügen ihres Gegenübers, war scheinbar bemerkt und in eine, für sie wohl schlüssige Richtung interpretiert worden. Es ängstigte sie auch offenbar kaum, dies laut auszusprechen. Ganz so, als habe sie diese oder ähnliche Blicke und leichte Andeutungen bereits mehrmals zur Genüge erfahren dürfen. Viel eher irritierte sie diese schmeichelnde, verführerische Stimme, die sie nicht ganz einzuordnen vermochte aber auch nicht weiter kommentierte. Zumindest die Hand wurde nicht ergriffen, denn das war wohl schon bereits ein wenig zu viel der Intimität und Vertrautheit.

Ihren Blick, wie um sich erneut ein Bild der Szenerie zu verschaffen aufs Wasser gerichtet, fragte sie ihr ein freundliches Lächeln zuwerfend, erneut: „Woran haben sie gedacht und was hat sie so sehr in den Bann gezogen?“ Ihre beiden Hände verließen nunmehr die Jackentaschen und ruhten im nächsten Moment, gelassen auf ihrem Schoß.
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Re: Walk at Night [NN/Milton Olive Park] Clara de Vries (off

Postby Amalia Winter » 28 Nov 2015, 13:38

Regina blickte immer noch auf Clara. Aufmerksam musternd. Es war fast so, als würde sie jeden Part ihres Gegenübers genau vermessen, einordnen und bewerten. Doch all dies geschah nur für kurze Zeit. Schon einen Moment später, hatte sie ihr Gesicht wieder abgewandt und starrte wieder in das dunkel der Nacht hinaus. Jedoch war da nicht mehr dieses abwesende wie zuvor. Ihr Blick war klar und es schien für einen Moment als würde sie versuchen sich an etwas zu erinnern. Erstaunlicher weise schien genau diese Erinnerung nun erneut ein Lächeln auf ihre Lippen zu zaubern und das obschon sie davor in einer tristen Stimmung eben wegen dieser Erinnerung war. Auch wenn sie ihr Blick im Moment in der Dunkelheit lag, so bedeutete das nicht das sie weniger aufmerksam war. Sie lauschte jedem der Worte von Clara bis sie schließlich mit warmer Stimme antwortete:

"Nun ihr habt die jenigen Vergessen die zuviel von dieser "Zeit" besitzen und soviel erlebt haben, dass sie dieser tristen EInsamkeit ihres Lebens überdrüssig werden. Vor allem dann, wenn sie auch noch jemanden verlieren der einen Funken Hoffnung in diese Ewigkeit brachte. Auf der anderen Seite reicht selbst die Unendlichkeit eines Lebens nicht aus um die schönen Dinge dieser Welt alle zu erfassen..."

Nun war es an Regina sich wieder Clara zu zuwenden. Die fahle, ebenmäsige, fast makellose Haut, das Make-Up, volles, dunkelbraunes, langes Haar. Die Augen funkelten in selben Grün wie ihre. Sie konnte sich darin sogar wiederspiegeln sehen. Die Kleidung war modebewusst und aktuell gewählt. Aber eben auch nicht besonders. Eben passend für diese Jahreszeit gekleidet ganz im Gegensatz zu Regina selbst. Trotzdem war sie insgesamt zu betrachten eine äußerst wohlerscheinende junge Frau. Ein Lächeln von Regina als sie sich der Parkbank näherte. Sie sah ihr fast sogar ähnlich. Das ungeübte Auge konnte die beiden sogar für Geschwister halten. Ihre kleine Schwester. Immer noch ihren Worten lauschend. machte sich zunehmende Enttäuschung breit bei wachsender Erkenntnis. Als sie mit offener Enttäuschung in der Stimme hinzufügte:

"Wie schade... Dessert gestrichen... Nun wie hätte es auch anders sein können... Oh wenn ihr nur wüsstet... Mein innerstes zum Strahlen bringen konnten nur zwei Personen in meinen ach so langen Unleben. Die eine davon weiß ich nicht mal mehr ob sie existiert und die andere ist dieser elenden Seuche zum Opfer gefallen... Doch möchte ich euch nicht mit Details langweilen oder gar die Stimmung dieses Abends in eine traurige wandeln..."

Es wäre so ein schönes Spiel geworden. Nun wie schade. Es wahr in Grunde erstaunlich auf wieviele Exemplare ihrer Spezies man dieser Nächte überhaupt trifft. Bedenkt man die damalige "Bevölkerungsdichte" einer Stadt vor Gehenna, war es fast schon so als würde Chicago die Bienen mit dem Honig locken. Sie nahm ihre Hand zurück und legte diese wieder in ihren Schoß. Die Finger überkreuzten sich. Keine Enttäuschung lag in ihrem Gesicht. Lediglich ein kurzes Schulter zucken. Als sie gebeten wurde darüber zu sprechen was sie so in ihren Bann zog, glitt ihr Blick wieder für einen Moment in leichte Ferne. Ein leichtes seufzen entfuhr ihren Lippen. Ihr Kopf drehte sich wieder in Richtung des Lake Michigan, in ihren Gesichtszügen bildeten sich große Furchen die scheinbar von Gefühlen durchzogen waren die sie nicht Preis geben wollte. So sprach sie mit abgewandten Gesicht, die smaragdgrünen Augen auf das dunkle Wasser vor ihr gerichtet, mit nachdenklicher Stimme:

"Es war gar nicht die dunkle See... Nun obgleich sie wunderschöne Farben in sich trägt, seht ihr nicht all diese Regenbögen? Und diese gar unglaublichen Aufschläge die die Gischt treibt, wenn sie an die Ufer schlägt? Dazu der Himmel der in leuchtenen Farben erstrahlt gespiekt mit den Augen eines Engels... Aber genug davon... Einmal im Jahr komme ich hier her an diesen speziellen Ort, da ich mit ihm besondere Erinnerungen verbinde. Ich hab vor nun mehr 7 Jahren eine teure Freudin, wertvolle Gefährtin und liebevolle Schwester verloren. Nun könnte man sagen was sind schon 7 Jahre in der Rechnung der Ewigkeit... Aber für mich sind es Zeitalter... Zeitalter ohne etwas das mein innerstes Herz zum strahlen brachte. Mein kaltes, untotes Herz füllte sich mit Leben... Und nun... Nichts mehr... Ich hab mich an all die schönen Dinge erinnert, die mir einen Grund gaben diese Ewigkeit ohne sie fortzuführen. Um es anders zu sagen... sämtliche Farbtöne dieser Welt, könnten nicht das beschreiben was ich an diesem Abend in diesen dunklen Wassern gesehen habe. Verzeiht nun habe ich die Stimmung doch gewandelt... Es war nicht meine Absicht euch den Abend damit verderben. Vielleicht habt ihr ja etwas aufhellenderes in dieser doch schon farbenprächtigen Nacht hinzuzufügen?"

Ihr Kopf drehte sich wieder zu Clara. Ein kurzes aber aufrichtiges Lächeln auf ihren Lippen, dennoch war da etwas in ihrem Blick das nicht die Hölle selbst hätte beschreiben können.
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Re: Walk at Night [NN/Milton Olive Park] Clara de Vries (off

Postby Clara de Vries » 29 Nov 2015, 21:47

Clara hörte ihr schweigsam aber mit weiterhin ungebrochener Aufmerksamkeit zu. Hin und wieder ließ sie ihren Blick über die dunklen Wellen des spiegelnden Gewässers zu ihren Füßen gleiten und nickte zustimmend. Doch selbst das aufrichtige, letzte Lächeln der Dame neben ihr, vermochte den leicht bekümmerten und aufrichtig mitfühlenden Ausdruck in ihren Augen nicht mehr zu vertreiben. Zuviel war gesagt worden, zu viele kleine Anekdoten und Anmerkung, als das ihr nach dem Gesagten noch nach eventueller Aufheiterung und Auflockerung zumute sein konnte. Selbst wenn solche Augenblicke sich geradezu obligatorisch dazu anboten und selbst wenn es vielleicht unhöflich gewesen wäre, weiter nachzufragen. Wahrscheinlich waren Gehenna und Alice noch viel zu ‚frisch’ und präsent, als das man streng nach den Benimmregeln des sozialen Umgangs miteinander, Schmerz und Trauer einfach so achtlos unter den Teppich kehren konnte oder wollte. Clara zumindest nicht. Von den geringsten Sterblichen, bis hin zu den mächtigsten Untoten: Sie alle hatten schwere und belastende Zeiten hinter sich, wichtige Beziehungen und Freunde verloren und unsägliches Leid erdulden müssen. Es gab vermutlich niemanden in ganz Chicago, der die Situation der Fremden neben ihr, nicht wenigstens im Ansatz hätte nachempfinden können. Mit einem leicht verunsicherten aber nicht minder berührten Gesichtsausdruck, bemühte sie sich um ein entschuldigendes Lächeln.

„Mmh.. Verzeihen sie aber ich glaube kaum, dass ich in Anbetracht ihrer Erzählungen so ohne weiteres die richtigen Worte finde.“ Ihr Blick glitt leicht zu Boden, beinahe schon eine Spur beschämt. „Es muss schier unerträglich für sie sein, die Ewigkeit ohne die Personen verbringen zu müssen die ihnen offensichtlich soviel bedeutet haben. Eine ewig währende Existenz, die ganz sicher schon um einiges länger als die meine währt und dennoch kommen sie in beständiger Regelmäßigkeit, seit sieben Jahren immer wieder an den gleichen Ort und versuchen sich von der größtmöglichen Schönheit, die in Worten kaum zu fassen ist, durchfluten zu lassen um ihre Trauer zu überdecken und ihren Schmerz zu lindern.“ Etwas unsicher blickte sie mit leicht gesenktem Haupt in ihre Richtung. Die bedrückende Schwere, die der Dame neben ihr vielleicht selbst auf den Schultern lasten musste, wurde körperlich nunmehr von Clara widergespiegelt, als sie sich selbst erneut ein freundliches Lächeln entrang.

„Es ist… für mich schwer vorstellbar, das es jemanden geben mag der einen so ganz und gar versteht und berührt, so vollkommen erfüllt, in seinem tiefsten Innersten erreicht und das sogar über Jahre, möglicherweise gar Jahrhunderte hinweg. Das klingt für mich wie nach dem vermeintlich stärksten Gefühl zu dem man nur fähig sein kann: Grenzenlose, vertrauensvolle und bedingungslose Liebe, die selbst über den endgültigen Tod hinaus überdauert und niemals vergessen wird. Und wenn der oder diejenige dann plötzlich nicht mehr da ist…“ Ihr Blick glitt wieder über das schwarze Gewässer vor ihnen und fixierte wohl wahllos irgendeinen undefinierbaren Punkt in weiter Ferne. „Dann stirbt ein Stück von einem Selbst. Ein unwiederbringliches Stück, das einem häufig gewaltsam und gegen den eigenen Willen entrissen wird.“ Noch immer in ihrer recht abwesend wirkenden Position verharrend, nickte sie nachdenklich und sinnierend. Kurz darauf wanderte ihre Aufmerksamkeit aber wieder ihrer Gesprächspartnerin zu und ihre Mundwinkel hoben sich leicht aufmunternd an.

„Sie muss ihnen unsagbar viel bedeutet haben und gerade in unserem… Zustand denke ich, ist der Wert einer solchen Beziehung mit keinem Gold der Welt aufzuwiegen. Es tut mir wirklich von ganzem Herzen Leid, sie haben mein vollstes Mitgefühl.“

Die Arme leicht ineinander legend und etwas näher in die Richtung der hübschen, nächtlichen Erscheinung an ihrer Seite gewandt, suchte ihr Blick erneut nach den smaragdgrünen Augen, die den ihren so ähnlich waren.

„Wie würden sie ihre Schwester denn beschreiben? Was haben sie besonders an ihr geschätzt und was machte sie so unsagbar bedeutsam für sie? Konnten sie sich denn wenigstens… verabschieden?“ Ihre Fragen waren wohl keinesfalls provokant oder pietätlos gemeint ganz im Gegenteil: Sie bekundete damit nach wie vor reges Interesse und wollte Anteil an ihrer Geschichte nehmen. Schlussendlich tat es in solchen Momenten wohl auch einfach ganz gut mit jemanden reden zu können. Zumindest schien Claras das aufgrund eigener Erfahrung anzunehmen.
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Re: Walk at Night [NN/Milton Olive Park] Clara de Vries (off

Postby Amalia Winter » 30 Nov 2015, 16:30

Amalia betrachtete Clara eine ganze Weile. Ihr Blick ruhte sichtlich prüfend auf ihr. Als Claras Blick in einem mitfühlenden wich, veränderte sich auch Amalias Körperhaltung. Es war fast so als würde sie etwas daran stören. Ja sie hatte von ihr erzählt und sicher war dies kein angenehmes Thema aber Mitleid? Nein Mitleid war etwas was eine ihrer Art nicht brauchte oder zumindest nicht zulassen drufte. Schwäche war etwas das einen ganz schnell einen Dolch in den schönen Rücken einbrachte. Natürlich war es an ihr gewesen ein Thema anzuschneiden das nicht unbedingt eines war das man gerne breit tritt. Aber immerhin hatte sie doch gefragt, nicht? Nun wie auch immer, der Blick in Amalias Augen wurde zurückhaltender, dass smragdgrün in ihren Augen verblasste zu einem hellgrün und ihre Stimme wirkte als sie nun antwortete kalt und emotionslos:

"Nun ich brauche eurer MItgefühl nicht. Behaltet es. Und spart euch diese netten Worte. Sie und ich wissen beide was wir sind und was wir nicht sind. Leider sind wir nie nett zueinander zumindest nicht ohne Hintergedanken... Ja ich habe mit dem Thema begonnen und ich sehe ein das es ein Fehler war. Aber können wir bitte einfach so tun als wären wir keine Freunde und tauschen nicht Mitgefühl und Trauer miteinander aus?"

So wie sie das sagte klang es härter als erwartet. Nun wie sollte sie auch anders. Sie war ein Raubtier. Unterbewusst hatte sie soeben Schwäche gezeigt, war verletzlich. Jemand wie sie scherrt sich um niemanden. Schadensbegrenzung darum ging es hier. Sie war verletzt und trauerte... immer noch. Doch das hieß nicht das sie sich den Umstand anmerken lassen oder noch gar bemuttert werden wolte. Nein sie war eine starke Frau. Sie war... Und da war es... ein kleiner roter Tropfen löste sich aus ihrem Tränenkanal und ran ihr in einem dünnen Rinnsal über die Wange. Clara hatte zuviel gesagt und sie redete immer noch. Machte sie traurig, erinnerte sie an den Schmerz, diesen immer währenden palpertierenden Schmerz den sie sonst unterdrückte, versuchte sie aus der Fassung zu bringen. Aufhören soll sie... Sie richtete sich auf die Wange immer noch ein kleines. dünnes, rotes Rinnsal. Ihr Blick enthielt Wut, Wut und Trauer. Dann mit schneidend kalter Stimme wie Eis bellend:

"Genug! Seien sie still! Ich will nichts mehr hören!"

Für einen kurzen Moment erhellte die eisig, schneidende Stimme den ganzen Park. Und für einen weiteren Moment wirkte Amalias Gesicht Wut verzerrt. Dann fiel sie wieder in sich zusammen. Die stolze Frau. Sonst so überheblich, selbstsicher und arrogant, unnahbar. Wirkte für den Moment gebrochen. Es schien als ging ihr das alles viel näher als sie selbst zugeben wollte. Sie wendete sich von Clara ab. Der Blick wieder auf das dunkle Wasser gerichtet. Sie griff in ihre Handtasche. Wieder war es das Seidentuch das sie hervorholte. Sie tupfte sich damit über die Wange. Es dauerte wohl einen ganzen Moment bevor sie sich wieder sammelte. Sie räusperte sich kurz. Dann mit einer klaren, hellen und deutlich wärmeren aber emotionsgeladenen Stimme antwortete sie:

"Entschuldigt es war bestimmte nicht eure Absicht mich... Ich wollte euch nicht..."

Ein weiterer Augenblick bevor sie neu ansetzte. Diesmal mit etwas mehr gefestigter Stimme:

"Zuerst einmal müsst ihr wissen warum es so schwer für mich ist darüber zu sprechen... Ich bin schuld daran das sie nicht mehr existiert... ich war ihre große Schwester, ihre Beschützerin... Ihre Gefährtin... Ich hätte auf die aufpassen müssen. Doch ich tat es nicht... ich nahm sie als selbstverständlich hin... doch das war sie nicht... Sie war letztendlich das einzige was mich in dieser endlosen, kalten Ewigkeit mit Wärme erfüllte. Und ich hab sie im Stich gelassen, enttäuscht verstoßen, sie vernichtet auf eine gewisse Art..."

Für einen weiteren Moment eine kurze Pause. Dann fügte sie hinzu:

"Sie war... besonders... in Momenten die nicht zum lachen waren, brachte sich mich trotzdem dazu. In Momenten in denen ich unglücklich war, heiterte sie mich auf. Im Grunde war sie eine Gefangene in meiner Hand doch sie schien es nicht zu kümmern und wenn zeigte sie es mir nicht. Sie war diese quirlige, lebensfrohe Persönlichkeit mit ganz eigenen Stil. Oh und ihr Modestil... ihr hättet es sehn müssen Schrecklich!"

Sie schmunzelte kurz.

"Egal was ich versuchte ihr näher zu bringen, es war wie als wenn man einem Kind versuchte zu erklären das Hosen für Herren und Kleider für Damen sind. Sie zog sich an wie ... nun das einzige was sie wohl an den ganzen teuren Kleidern und Acessoires die ich ihr schenkte schätze, war die kleine goldene Armbanduhr. Sie trug sie immer bei sich. Sie war immer diejenige die in allem den Nutzen sah und wenn mich etwas betrübte, war sie es die mich aufheiterte. Sie war diejenige die immer und überall für mich da war und mir gefallen wollte. Ihr Zuneigung... Ihre Liebe... Und ich... ich nahm das alles selbstverständlich... ein Monster war ich... das sie gequält hat... Ich hab es verdient sie verloren zu haben. Und wenn mein kaltes, untotes Herz zerspringt oder nie wieder Freude in dieser Ewigkeit erfährt, so geschieht es mir recht... Verabschieden? Nein... Sie wurde mir aus der Brust gerissen ohne die Chance ihr mitzuteilen was sie für mich bedeutet hat...."

Amalia blickte erst jetzt wieder auf. Ihre Augenlieder geschwollen. Ihr Gesicht niedergeschlagen und vorwurfsvoll zu sich selbst. Ihre Hände lagen in ihrem Schoss, die Finger immer noch übereinander gelegt. Aber sie wirkten unruhig. Nur langsam kehrte das volle smaragdgrün in ihre Augen zurück. Ihre rubinroten Lippen noch übereinander gelegt. Ihr Blick wurde nur langsam klarer. Die Gesichtszüge wirkten gezwungen freundlich. Nicht weil sie nicht freundlich sein wollte, sondern einfach weil ein Schatten diesen Abend überragte. Es war das erste Mal das sie sich jemanden über ihre Schwester mitteilte. Es schien sie mehr mitzunehmen als sie je geahnt hatte. Dann hob sie ihren Blick und sah mit höflichen Blick drein. Ihre Stimme warm und freundlich fragend:

"Da ich euch mein Herz ausgeschüttet habe, steht mir da nun wenigstens die Frage zu mit wem ich das bis jetzt noch zweifelhafte Vergnügen hab?"

Wieder ein kurzes Schmunzeln. Sie war verletztlich, verwundbar in eben jenen Moment. Abwartend sah sie Clara an.
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Re: Walk at Night [NN/Milton Olive Park] Clara de Vries (off

Postby Clara de Vries » 30 Nov 2015, 21:00

Still war es geworden. Beinahe totenstill, als sich die ganze Wut, Trauer, der Schmerz und all die jahrelang bemüht unterdrückten Gefühle, ihren Weg an die Oberfläche kämpften und in dem dünnen, verräterischen Rinnsal einer blutigen Träne mündete, welche die Wangen ihrer Gesprächspartnerin benetzte um dort einen schmalen, zerlaufenen Strich zu hinterlassen. Beinahe wie kunstvoll aufgetragenes Make-up aber bei Weitem symbolischer und ohne die Möglichkeit ihre Empfindungen dahinter verstecken zu können. Ihr Herz schien zu bluten, selbst nach sieben langen Jahren.

Clara bemühte sich ruhig und gefasst zu bleiben, während die Frau an ihrer Seite, all diesen inneren Kummer in beinahe schon abwertender und anklagender Form gegen sie richtete. Es klang laut, es klang verzweifelt und furchtbar wütend, was nicht zuletzt dazu führte das sie sich schon ein wenig wegzuducken schien, als all der giftige Zorn sich mit einem brüllenden Schrei über ihr entlud. Sie waren keine Freunde, sie kannten sich nicht einmal und es stand überhaupt im Raum, was Clara sich da herauszunehmen gedachte. Zuneigung und ehrliches Mitgefühl gab es nicht, alles diente nur einem persönlichen egoistischen Zweck. Nichts war wahrhaftig, alles nur gespielt und verletzend. So oder so ähnlich lautete die Anklage der hübschen Frau mit den grünen Augen auf der Parkbank neben ihr, deren gellende Stimme für sie mehr der Ausdruck tiefer Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit war als sie mit brachialer Intensität über die einstige, idyllische Stille des Parks hinwegfegte. Ein Versuch all dies von sich zu stoßen oder ungeschehen machen zu können, es rückgängig werden zu lassen, vergessen zu können um es tief in sich zu vergraben und nie wieder spüren zu müssen. Damit es aufhörte, damit es endlich aufhörte…

All diese kleinen Anschuldigungen hätten sie verletzen oder mit Angst erfüllen können. Man hätte es als persönlichen Angriff auffassen oder als heftige Ablehnungen der eigenen Personen bewerten können und manch einer, hätte wohl nach entschuldigende Worten oder beruhigenden Floskeln gesucht, um diese spannungsgeladene Situation ein Stück weit zu entlasten oder weniger bedrohlich wirken zu lassen. Clara hätte auch einfach aufstehen und gehen können, ohne noch ein weiteres Wort zu verlieren, denn auch wenn Gefühlsausbrüche sehr energisch werden konnten, bestand doch gerade bei ihrer Art eine tatsächlich vorhandene Gefahr für Leib und Unleben, die man keinesfalls unterschätzen durfte.

Aber sie blieb, wenngleich sich in ihrem Blick dennoch eine kurzweilige Verunsicherung widerspiegeln mochte. Sie blieb, als man ihr eigennützige Ziele mit ihrem ‚gespielten’ Mitgefühl unterstellte und sie blieb als man sie vehement und lautstark dazu aufforderte, doch endlich ruhig zu sein. Sie war nach wie vor da und zeigte Interesse, nahm Anteil an der Trauer ihres Gegenübers. Sie war das Objekt des Hasses, an dem man sich abarbeiten konnte und sie war die wache Zuhörerin die anwesend war, wenn alle anderen sich längst irritiert abgewandt hatten. Einfach weil die Frau neben ihr, die soeben ein Seidentüchlein gezückt hatte um ihre blutigen Tränen eilig zu trocknen all diese Möglichkeiten zur Trauerbewältigung brauchte und sie sich dafür bereitwillig zur Verfügung stellte. Weil sie es aushalten konnte und nicht davonlief oder Nase rümpfend den Blick abwandte. Weil sonst niemand da war…

„Sie müssen sich nicht entschuldigen, es ist doch ganz natürlich das diese Beziehung, die meiner Einschätzung nach noch nie wirklich aufgearbeitet wurde, nach wie vor heftige Gefühle bei ihnen auslöst. Das ist nur natürlich und es wäre im Gegenteil eher bedenklich, wenn sie völlig emotionslos darüber berichten würde. Als ob es sich nur um eine Anhäufung von Begegnungen handeln würde, die man bestenfalls noch mit ein paar Fußnoten versieht.“ Sie schenkte ihr ein warmes, grundehrliches und aufmunterndes Lächeln und lehnte sich sichtlich entspannter, etwas auf der Parkbank zurück.

„Denn wäre das der Fall, dann hätten alle ihre Bedenken bezüglich unserer Art darin Bestätigung gefunden. Sie trauern, sie weinen, sie sind verletzt und einsam. Ich bin aber der festen Überzeugung, das dies genau die Dinge sind, die uns von dem monströsen und bösartigen Bild das sie von unserer Art zeichnen, unterscheidet. Wir sind keine leere Hülle die es nach Blut giert sondern Individuen mit Hoffnungen, Wünschen, Ängsten, Sorgen und Nöten. Wenn wir das nicht mehr haben, was sind wir dann noch?“ Offensichtlich stellte sie damit eine rein rhetorische Frage, die sie nicht wirklich beantwortet wissen wollte.

Ihr Lächeln wurde noch eine Spur breiter und sympathischer, als sie der Fremden neben sich aufmerksam zuhörte, als diese von ihrer Schwester berichtete. Clara unterbrach sie kein einziges Mal und nicht einen Moment lang bekam man das Gefühl, die attraktive Frau mit den dunkelbraunen Haaren, würde ihre Erzählungen auf irgendeine Art und Weise bewerten oder beurteilen. Hin und wieder grinste sie regelrecht amüsiert und kicherte gar, als ihr von der schrecklichen Kleiderwahl und der quirlig-kindlichen Art der liebgewonnen Schwester berichtet wurde. Ihre Augen glänzten und sie schmunzelte nickend, als sie allem Augenschein nach einen guten Eindruck gewonnen hatte.

„Vielen Dank dass sie mir von ihrer liebenswerten Schwester erzählt haben. Mir ist klar, dass dies für gewöhnlich nichts ist, das man mit völlig Fremden teilt und es ist ihnen verständlicherweise nicht leicht gefallen. Ich möchte ihnen überdies auch für das in mich gesetzte Vertrauen danken und verspreche ihnen, die Geschichte ihrer Schwester mit allem nötigen Respekt und der damit verbundenen Wertschätzung zu behandeln, die sie verdient.“ Sie schloss für einen kurzen Moment die Augen und nickte dabei langsam und bedächtig, ihr Lächeln nach wie vor ungebrochen.

„Ja, ich glaube ich habe einen guten Eindruck von ihrer Schwester gewonnen und so wie ich sie mir vorstelle und vor Augen habe, kann ich sehr gut nachvollziehen warum sie ihnen so wichtig war.“ Ihre Augen öffneten sich und mit der leichten Bewegung ihres Kopfes, wandte sie sich wieder der neben ihr sitzenden, noch immer etwas geknickt wirkenden, Dame zu.

„Vielleicht mag sie in manchen Situationen ein wenig unbeholfen oder unsicher, gar völlig fehl am Platz gewirkt haben aber ich denke sie war der Inbegriff dessen, was man sich im Grunde für sich selbst wünscht. All die kleinen, verborgenen Persönlichkeitsanteile, die ebenfalls ihren Platz in unserem Sein beanspruchen und gepflegt werden wollen, die wir aber oft gezwungenermaßen unterdrücken, verstoßen und mit eiserner Disziplin im Zaume halten. Ihre Schwester hat gelacht wenn ihr danach war, geflucht wenn sie wollte und sich nicht daran gestört, wie manche Institutionen sie aufgrund ihres exzentrischen Kleidungsstils verurteilten oder wie manch einer die Nase rümpfte, wenn sie sich nicht der Rolle die ihr zugedacht war verhielt.“ Sie nickte leicht sehnsuchtsvoll.

„Im Grunde hat sie ihr Leben ohne gesellschaftliche oder persönliche Zwänge geführt und ich glaube, das bringt gerade im Hinblick auf unsere niemals endende Existenz eine große Erleichterung und Lebensfreude. Wir müssen nicht perfekt sein oder gefallen. Wir müssen uns nicht sklavisch an selbst auferlegte Regeln halten, die wir im Grunde unserer Überzeugungen verneinen. Wir dürfen schlecht gelaunt, schrecklich angezogen, widerlich, unansehnlich, dumm und ganz und gar unvollkommen sein ohne bewertet und evaluiert, katalogisiert und eingeordnet zu werden.“ Clara sah ihr Gegenüber mit leuchtenden Augen an.

„Und wir sind es trotzdem immer wert geliebt zu werden, mit allem was wir sind. Denn genau das ist es, was uns schlussendlich ausmacht. Das ist unser Charakter, unsere Persönlichkeit und unsere Freiheit, das sind wir. Und egal was man uns erzählen mag oder welche individuellen Wertevorstellungen man vertritt: Genau das und nur das ist es, was schlussendlich übrig bleibt, wenn all die Rollen, Masken und einstudierten Worte von uns abfallen und wir uns nackt und bloß gegenüber stehen. Und das ist meiner tiefsten Überzeugung nach, auch wenn wir es oft vergessen oder nicht wahrhaben wollen, das eigentliche Maß aller Dinge.“

Die hübsche Frau in ihrer modernen aber wenig auffälligen Bekleidung, ließ langsam ihre ausgestreckte Hand in Richtung ihrer Sitznachbarin gleiten um sich vorzustellen. Sollte diese die angebotene Hand ergreifen, so wäre diese erwartungsgemäß eisig kalt. Ihr Händedruck schien sanft und möglicherweise sogar eine Spur zu sanft, als sie ihr freundlich zulächelte.

„Clara de Vries vom Clan der Rose aber nennen sie mich einfach Clara. Es freut mich sehr ihre Bekanntschaft machen zu dürfen Miss…?“ Sie gab ihr den Raum und die Möglichkeit, die höfliche Vorstellung in ihrem eigenen Ermessen zu erwidern.
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Re: Walk at Night [NN/Milton Olive Park] Clara de Vries (off

Postby Amalia Winter » 01 Dec 2015, 16:40

Amalia sah Clara eine ganze Weile lang einfach nur an. Nochmals tupfte sich Amalia mit dem Seidentaschentuch über die Wange. Das Make Up wirkte auf der einen Seite gar etwas zerlaufen. Ein Schauer schien sie zu durchfahren. Amalia schüttelte sich kurz, wohl aber ncht von der Kälte. Sie wirkte wirklich etwas verwundert das Clara nicht eingeschnappt davon lief oder zumindest empört zurück beffte. Aber nichts der gleichen, sie saß einfach nur ruhig da. Als sie sich weg duckte, überkam Amalia fast ein schlechtes Gewissen, jedoch vertrieb sie diesen Gedanken so gleich wieder. Trotz allem war sie wirklich gerade nicht freundlich gewesen. Langsam kam Rückhalt und Konturen in das Gesicht von Amalia zurück. Die Augen gewannen ihre sonst so dunkle smaradgrüne Farbe wieder. Die rubinroten Lippen wirkten nicht mehr so aufeinander gepresst. Ihre Haltung wurde offener, beinahe einladend.

Andere wären in dieser Situation bestimmt nicht so gelassen und ruhig geblieben. Sie sah beinahe schon verwundert drein, als sie Clara mit ihren Augen musternd betrachtete. Sie hatte sich vergessen. Ein Ausrutscher, sowas passierte gerade ihr für gewöhnlich nie. Auch die kurzweilige Verunsicherung blieb nicht unbemerkt, die sich in den Augen von Clara wiederspiegelten. Amalias Mimik, sowie auch ihre Gestik wurde freundlicher. Sie setzte sich wieder auf die Bank und stellte ihre Beine leicht schräg, so dass sie nicht auf den Absätzen stand. Ihre Hände legte sie wieder in den Schoß, die Finger überkreuzt. Sie strich sich eine Strähne ihres langen, braunes Haars aus dem Gesicht hinter ihr Ohr. Mit warmer, freundlicher Stimme, wenn gleich auch noch etwas brüchig wirkend antwortete sie.

"Oh doch, ich muss mich entschuldigen ich kenne euch kaum und belaste euch mit solch abstrußen Gedankengängen. Nicht nur das ihr mir zugehört habt und Verständnis zeigtet, nein ich habe euch zum Dank auch noch angeschrien. Ein ganz und gar ungebührliches Verhalten. Gefühle entschuldigen dies nicht im mindesten. Wir sind in erster Linie das wozu uns die Folklore gemacht hat. Monster der Nacht... Vielleicht täten wir gut uns daran zu halten, sie wissen schon... Weniger Probleme... Nun andererseits wird manchen von uns nicht ohne Grund nachgesagt das wir am menschenähnlichsten sind."

Ein kurzes ernstgemeintes Lächeln. Dann fügte sie hinzu:

"Nun wissen sie, leider gibt es aber genau von dieser leeren, nach blutgierenden Hüllen ohne Gefühle und Hoffnungen mehr als genug. Sicher bilden einige die Ausnahme. Aber ich gebe ihnen Recht."

Einen kurzen Moment schweiften wieder ihre Gedanken ab, bevor sie sich wieder gewahr ihrer Gesprächspartnerin wurde. Sie beobachtete Clara genauestens bei den Erzählungen über ihre Schwester. Auch auf ihren Gesichtszügen zeichnete sich hin und wieder ein Lächeln ab bei den Gedanken an... Doch dann endete sie und sah Clara wieder für einen ganzen Moment lang an, bevor sie mit freundlicher Stimme antwortete:

"Nun vielleicht war es einfach an der Zeit darüber zu reden. Um es zu verarbeiten. Natürlich wird sie immer einen wichtigen Platz einnehmen. Aber... nun, unser Unleben geht weiter. Ich bin mir sicher sie hätte sich nicht für mich gewünscht, dass ich an der Trauer über sie zerbreche. Ich wünschte nur ich hätte sie noch einmal gesehen... Sich nicht verabschieden zu können, ist es was es so schwer gemacht hat..."

Zu den Worten das sie die Geschichte mit allem nötigen Respekt behandeln würde, nickte Amalia nur dankend. Auch lauschte sie wieder Clara als die ihre Erklärungen ausführte. Sie dachte nicht eine Sekunde daran sie zu unterbrechen. Lediglich ihre Haltung wurde wieder etwas mehr in sich gekehrt. Vielleicht gar ein wenig reserviert. Aber vielleicht war es auch einfach die Haltung die Amalia sonst von sich selbst gewöhnt ist. Eben aristokratisch, zurückhaltend, nicht mitteilsam. Trotzdem schien sie hin und wieder an den passenden Stellen ein leichtes Lächeln aufzubringen. Oder aber sie verschwand so gar für einen Augenblick in Gedanken sinnierend. Es war fast so als fühlte sie sich wohl mit jemanden mal darüber geredet zu haben. Dann mit höflich, warmer Stimme aber zu gleich auch mahnend fügte sie hinzu:

"Nun sicher war es wohl ihr rebellischer Charakter der sie so gab wie sie war. Dennoch dürfen wir trotz allem nicht vergessen, dass es genau diese Regeln sind die uns all die Jahrhunderte eine so unbeschwerte Existenz ermöglichten. Deshalb tun wir gut daran, wenn es ein gewissen System und eine Ordnung gibt. Auch wenn wir dieser manchmal gerne entfliehen würden. Finden sie nicht auch? Natürlich sind dabei die jüngsten Ereignisse zu berücksichtigen."

Dann war es an Amalia sich schlussendlich wieder zu erheben. Es war wie als, wenn sie das ganze Jahrhunderte zuvor einstudiert hatte, Höflichkeit und Etikette. Dennoch wirkte es nicht so als wäre dies durch ihre Elektierung einer neuen Art so gekommen, viel mehr als hätte sie das von jüngsten Tagen an so an erzogen bekommen. Es wirkte gar aristokratisch. So vollführte sie einen leichten Knicks, gefolgt von höflich, warmen Worten:

"Amalia Winter, ebenfalls Clan der Rose. Angenehm eure Bekanntschaft zu machen."

Eine kurze Pause gefolgt von weiteren Worten:

"Amalia, bitte."

Ein höfliches Lächeln. Mehr wurde diesbezüglich nicht gesagt. Mann wusste nie wer lauschte. Damit ergriff sie die Hand von Clara, erst zögerlich dann mit wachsender Zuversicht und drückte diese mit leichten Druck. Sie setzte sich wieder auf die Bank und deutete auf den freien Platz neben ihr und sprach mit warmer freundlicher Stimme:

"Bitte setzt euch doch zu mir."

Es viel ihr sichtlich schwer gleich ins "du" zu verfallen. Wohl alte Gewohnheiten. Dann fügte sie mit einem Lächeln auf den Lippen hinzu:

"Was führt euch... dich... in diese wunderschöne Stadt? Oder warst du immer schon hier?"

Freundlich dreinblickend, sah sie abwartend zu Clara.
"Ich will nicht leben, um Kunst zu imitieren. Ich will leben, um Kunst zu sein."
"Won't you come and dance with the beautiful death?"
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Re: Walk at Night [NN/Milton Olive Park] Clara de Vries (off

Postby Clara de Vries » 02 Dec 2015, 13:09

Ein Schmunzeln, mehr nicht. Das leichte Heben von Mundwinkeln die sich allmählich nach oben krümmten, als Amalia erneut das dünnflüssige Blut von ihrer Wange, mithilfe des kleinen Seidentüchleins entfernte und ihre Körperhaltung, leicht verlagerte. Ihre Finger glitten wieder etwas gefasster ineinander und auch das Zurückstreichen einer Strähne ihres Haares, machte deutlich dass sie sich wieder etwas geordnet hatte. Die Füße, schräg angewinkelt, standen nicht mehr auf den spitzen Absätzen, die Körperhaltung weniger angespannt. Nach und nach veränderte sich das Bild von Amalia wieder, zu eben jener Erscheinung die man von jemanden wie ihr… erwartet hätte. Oder aber wie sie selbst meinte, sich präsentieren zu müssen. Eine Vorstellung oder ein Ideal, das für den kurzweiligen Moment einer emotionalen Dysbalance, ins Wanken geraten war. Clara gab ihr weiterhin vorbehaltlos den Raum und die Zeit, die sie benötigte um das vermeintlich unstrukturierte Gefühlschaos hinter sich zu lassen. Und zwischen ihrem aufmunternden Lächeln und ihrer verständnisvoll abwartenden Haltung, lag fast schon eine ruhige Zufriedenheit. Vielleicht auch deshalb, weil etwas das sie zuvor angesprochen hatte, gerade exemplarisch Bestätigung fand. Möglicherweise war sie aber auch einfach froh darüber, dass Amalia all ihre Trauer und ihren Schmerz ein Stück weit hinter sich lassen konnte und das damit verbundene Leid, somit auch ein klein wenig Linderung fand. Als man sich bei ihr entschuldigte, hob sie nur knapp abwehrend die Hand.

„Es gibt nichts zu entschuldigen, denn du hast nichts Falsches gesagt oder getan. Gefühle sind keine Fehler und das einzige was es an Fehlern zu beachten gilt, ist dass man sich mit den eigenen auseinandersetzt, darüber reflektiert und sie in weiterer Folge zu vermeiden sucht. Fehler sind da um sich selbst und andere zu hinterfragen und daraus zu lernen. Gefühle folgen keiner wirklichen Logik und genau das ist auch das Schöne daran.“ Sie lächelte leicht und zwinkerte ihr verschmitzt zu. „Also versuch niemals deine eigene Gefühlswelt mit dem Kopf in den Griff zu bekommen. Damit wirst du unweigerlich scheitern, egal wie sehr du es versuchst.“ Mehr schien sie der Thematik nicht mehr hinzufügen zu wollen sondern eher auf die erhoffte Wirkung ihrer Worte abzuzielen.

„Das Unleben geht weiter“, meinte sie dann bestätigend zu ihrer Gesprächspartnerin. „Aber ich bin mir mittlerweile nicht mehr sicher, ob eine strikte, systematische Ordnung tatsächlich dafür sorgt, dass wir eine unbeschwerte Existenz führen können. Nichts und niemand ist perfekt und jedes System hat seine Schwächen und Makel, oftmals gibt es dann Einzelne die sehr unter einer Schieflage dieser Strukturierung leiden. Darauf wird aber im Sinne einer übergeordneten Hierarchie keine Rücksicht genommen, wahrscheinlich ist es nach wie vor die Problematik der Gewichtung von Individuum versus Kollektiv.“ Sie lächelte etwas schief und nachdenklich. „In einem zentralistisch orientierten System geht die Macht von einigen wenigen aus, was an und für sich kein Fehler ist. Bedenklich wird es nur, wenn die Machthabenden dieses in sie gesetzte Vertrauen missbrauchen und zu ihrem eigenen, persönlichen Vorteil einsetzen. Schlicht und ergreifend hat jeder nur so viel Macht und Einfluss, wie wir ihm zugestehen wollen.“ Clara lachte knapp und schien einen unliebsamen Gedanken zu vertreiben. Wahrscheinlich hatte sie gerade ebenfalls bemerkt, dass sie sich ein wenig in ihren Überlegungen verlor.

„Aber kurzum: Auch oder gerade aufgrund der jüngsten Ereignisse, finde ich eine allgemein sinngebende Ordnung nicht kontraproduktiv. Strukturen geben Sicherheit und Gewissheit darüber, an wen man sich zu wenden hat, wer welche Kompetenzen und Befugnisse besitzt und bildet damit ein gewisses Grundgerüst, aus dem sich eine akzeptierte Gesellschaftsform herausbilden kann. Allgemein anerkannte Normen und Verhaltensregeln des Umgangs miteinander, setze ich diesbezüglich natürlich voraus.“ Ihr Blick glitt zu Amalia und wirkte ein wenig belustigt. „Ich nehme an wir reden über die Camarilla? Nun, ich war selbst ein Teil davon und habe die positiven, als auch die negativen Seiten kennengelernt. Das System ist denke ich in seinen Grundzügen nicht schlecht aber immer noch ausbau- und optimierungsfähig. Für mich war es so wie in der katholischen Kirche: Das Kerngerüst aus grundsätzlichen Wertevorstellungen und Überzeugung ist gut und orientiert sich an einem sehr hohen Ideal. Aber die hierarchische Strukturierung ist veraltet und antiquiert, lenkt Schlüsselpositionen und Aufgabengebiete insofern so zu einem Großen und Ganzen zusammen, dass es die Macht und Kontrolle, wieder nur an gewissen Stellen bündelt. Das ist gefährlich und intransparent. Zudem leidet unsere Sekte genau an den gleichen Krankheiten wie die heiligen Mutter Kirche: Eine vehemente Abneigung dagegen sich selbst zu überdenken und zu revolutionieren, ohne auch nur die geringste Bereitschaft zur Veränderung. Dass man mag man ihr vorwerfen und kann es auch, teilweise sind der Sekte aber dahingehend auch einfach die Hände gebunden, weil damit ein zu großer Widerspruch zu dieser Jahrhunderte alten Tradition entstehen und man sich in Unglaubwürdigkeit verlieren würde. Eine die aktuellen Umstände berücksichtigende Organisationsstruktur, sollte von Grund auf neu gestaltet werden, was nicht heißt, dass man sich dabei nicht an den Grundzügen der Camarilla orientieren dürfte.“

Die wachen Augen der Toreador beobachteten fasziniert die völlig makellose und mehr als höflich anmutende Vorstellung Amalias. Es war ein beinahe surreales Bild und tatsächlich schien der Hintergrund dabei gedanklich ein wenig zu verschwimmen und anstelle der hell erleuchteten Hochhäuser und Neonlampen, traten edle Pferdekutschen und prachtvolle Herrenhäuser die eine schmuckvoll gekleidete Gesellschaft, zum Anlass einer glanzvollen Soiree beherbergten. Clara war entzückt und fühlte sich auch ein Stück weit geschmeichelt, dass man ihr eine so formvollendete Vorstellung angedachte.

„Es freut mich dich kennenzulernen Amalia und umso mehr freut es mich, dass wir eine gemeinsame Abstammung teilen. Auch wenn wir alle unterschiedlich sind, was ich auch sehr begrüße, tut es doch gut zu wissen, dass uns in dieser ewig währenden Existenz zumindest in der Theorie eine gemeinsame Abstammung verbindet.“ Setzen müsste die junge Frau sich nicht mehr, denn das tat sie augenscheinlich bereits. Vielleicht war diese höfliche Aufforderung aber auch nur ein sichtbares Zeichen, das Clara das Wohlwollen von Amalia genoss und ihr ihre Anwesenheit durchaus willkommen war. Auf ihre Herkunft angesprochen, hob sie nur knapp die Schultern, so als wäre dieser Teil ihrer Existenz eher vernachlässigbar unspektakulär.

„Nein, ich war nicht immer in Chicago. Meine eigentlichen Wurzeln liegen in Europa, was man vielleicht auch meinem Nachnamen entnehmen kann. Meine sterbliche Mutter war Niederländerin und lernte meinen Vater, einen gebürtigen Amerikaner, auf einer Geschäftsreise in Lissabon kennen. Ich war also ein kleiner, ungeplanter Zwischenfall.“ Sie grinste leicht in die Richtung Amalias.

„Auf jeden Fall hatten wir nicht das Familienidyll das ich mir gewünscht hätte, denn mein Vater war von der Arbeit her an die Staaten gebunden und meine Mutter weigerte sich umzuziehen. Sie haben im Übrigen auch nie geheiratet. Und irgendwann, als ich dann alt genug war, wollte ich ihn kennenlernen, diesen erfolgreichen Verleger an der Ostküste, der mein Vater sein sollte. Also bin ich in die Staaten gereist und habe dort studiert und gelebt und versucht mich meinem Vater anzunähern. Wir kamen ganz gut miteinander zurecht aber dennoch wurde unser Verhältnis nie so eng, wie ich es mir beim Antritt meiner Reise, in den fantasievollsten, bunten Farben ausgemalt hatte. Nun, zumindest die Haarfarbe habe ich von ihm.“ Erneut überschlug sie die Beine.

„Dann fing ich an zu schreiben, zuerst nur Kurzgeschichten und ein paar einfache Seiten aber ich entdeckte bald, dass mir diese Tätigkeit Spaß machte und ich glaubte ein Talent zu besitzen. Also nahm ich an ein paar Lesungen und Wettbewerben teil und dort wurde ich nicht nur von Verlagen entdeckt sondern auch von meinem zukünftigen Erzeuger. Der Rest ist recht schnell erzählt. Ich wurde in die Gesellschaft unserer Art, als auch die Camarilla eingeführt und verbrachte einige Jahre in relativer Zufriedenheit in Philadelphia. Dann brachen Gehenna und diese todbringende Seuche über uns herein und alles was mir erst vor kurzem genauer erklärt und erläutert worden war, brach völlig in sich zusammen.“ Ihr Blick senkte sich etwas nachdenklich und in sich gekehrt. Augenscheinlich bereitete ihr es keinerlei Freude, sich daran so eindrücklich zu erinnern. Bilder, Gedanken und Gefühle zu jener Zeit, waren offensichtlich noch immer sehr präsent.

„In den Tumulten habe ich alles was ich noch hatte zusammengepackt und bin schlussendlich nach Chicago geflohen, weil mir auf Basis von Gerüchten und Erzählungen darüber berichtet wurde, wie sicher die Stadt sein sollte. Und bisher kann ich sagen, dass mich die Windy City noch nicht enttäuscht hat.“ Clara hob den Kopf wieder leicht an und blickte erwartungsvoll lächelnd zu Amalia. „Keine wirklich spektakuläre Geschichte wie ich finde und ich bin davon überzeugt, dass es vielen anderen sehr ähnlich ergangen ist. In Zeiten wie diesen, ist unsere Art sehr häufig auf der Flucht scheint es.“
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