Vom Wesen der Zauberei [Ambiente]


Vom Wesen der Zauberei [Ambiente]

Postby Maldito Muerte » 17 Jun 2015, 11:36

Mach das nicht.
Bitte?
Fass das nicht an. Ich habe es dir eingangs gesagt, behalt die Hände bei dir, fass nichts an.
Oh... aber...
Mach es einfach nicht.
Oooo-kay...

Die alte Hexe hat nen Schaden. Diese Bruchbude hat ihre besten Zeiten schon vor Jahren gesehen und sie führt sich auf als wäre das hier heiliger Boden oder so Käse. Ich hätte einfach vorher wissen müssen, das dieshier Scheiße ist. Keiner macht sowas... Als wär ich im Urlaub und wieder neunzehn... und irgendeine schrumplige alte Hexe drückt mir einen bescheuerten Ölzweig in die Hand und will mein Geld dafür. Wie werde ich das jetzt wieder los? Muss ich eigentlich garnicht, ich kann ja sofort gehen, eigentlich... wir haben garnix ausgemacht.

Setz Dich da hin.

Sie deutet auf einen Haufen Zeitungen, durch den ich bereits gelaufen bin... der ganze Raum ist voll davon, Fetzen von denen ich glaube das es nichtmal die Zeitungen von hier sind, sondern... ist das Las Vegas? Shit... Der ganze Boden ist voll mit dem Scheiß, man kann keinen Schritt gehen ohne zu rascheln. Diese riesige Holzkiste in der Mitte des Raumes war da schon fast interessanter, vor allem weil sie irgendwie hübsch geschmückt ist. Da liegt keine Zeitung drauf. Keine Einzige. Vermutlich lag da noch nie eine Zeitung drauf. Ach was solls, einen Moment kann ich auch sitzen, ich bin immerhin bis hierher gelaufen... und ehrlich... ich brauche die Hilfe...

"Dein Junge hört nicht auf dich... schlägt über die Stränge, probt offene Rebellion... Und du kannst ihn nicht anhalten."
Anhalten?
"Ja. Kannst Du nicht."
Kann ich nicht... äh... ja... eigentlich will ich nur, das er wieder gehorcht. Ich will ihn halt nicht schlagen, das bringt nix...
"Das hast Du gut erkannt. Nichts ist schlimmer für einen Menschen, als wenn jemand hinter ihm steht und ihm sagt, was er zu tun hat... doch das schlimmste was du tun kannst, ist ihn selbst zu schlagen. Du hast soviel vom Krieger in dir behalten das zu wissen... darum helfe ich dir."
Ja, äh, danke...

Die alte hat nen ausgewachsenen Schaden. Das hat jetzt... eine halbe Stunde gedauert, mindestens... und was ich hier nicht alles erzählt bekommen habe. Ich müsse meinem Jungen helfen, anzuhalten... die Welt anzuhalten... kaut mir ein Ohr ab davon, das sein Körper jung und stark ist, das es einen besonderen Reiz braucht damit er versteht, damit er anhalten kann... weil er jung und taub ist. Ich weis nicht genau was ich davon halten soll, ehrlich... es klingt schlüssig, einiges davon. Immer wenn ich in ihre Augen sehe um zu prüfen ob sie mich verarscht, begegnet sie mir mit diesem... Blick... der meine Gedanken davonfegt und mich nicht mehr am Stück sprechen lässt. Da ist irgendwas wildes, ehrliches in ihren Augen, das ich ihr glauben muss.

"... deinem Sohn daran vorbei. Sei frei von Angst denn auch wenn Dein Junge eine tüchtige Abreibung bekommt, sollst du doch derjenige sein, der ihn danach aufrichtet und zur Seite steht. Du wirst sehen, wenn das drei mal geschehen ist, ist er angehalten."
Angehalten... yeah, klar. Mit gebrochenem Kiefer oder was...
"Du hast mich wohl verstanden und windest dich nur jetzt, mit Spitzfindigkeiten zurück in die Bequemlichkeit deiner Hilflosigkeit. Tatenlosigkeit. Willst du so sein, steht dir der Ausgang frei."

Ich hasse die alte Hexe. Sie hat einfach recht... und ich verstehe sie... ich will ihr glauben, weil, naja vor allem... ich mit meinem Latein am Ende bin. Das mache ich jetzt hier schon seit so vielen Jahren und jetzt, jetzt habe ich nicht mehr die Kraft. Ich muss diesen Bengel alleine erziehen, wenn seine Mutter noch leben würde wär das alles viel einfacher... aber jetzt, in diesen Zeiten... ich kann mir das nicht erlauben.
Ich werde sitzen bleiben. Mir weiter anhören was sie... wa... was?
"...in seinem Alter. Mit der linken Hand anfassen, überall wo er will... Nur nicht am Bauch!! Vergiss das nicht... ich erinnere dich nochmal, wenn es soweit ist... dann wird er erneuert sein. Es reicht nicht, ihn nur anzuhalten."

Mein... Atem... ist irgendwo in der Brust stehen geblieben. Die schiere Ungeheuerlichkeit der Sache bricht alle Regeln und Vorbehalte in meinem Verstand... das hier... ist so strange, das ich mir eine echte, realistische Chance ausmale... das es funktioniert.

Ich verstehe. Ja... ich will... und besiegle diesen Handel mit meinem Opfer.
"...ganz richtig... nimm das."

Sie gibt mir eine Schale in der klare Flüssigkeit höllisch nach Desinfektion stinkt. Ich kenne den Geruch aus dem Krankenhaus, jeder kennt den Geruch nach Desinfektionsmittel. Da schwimmen Kanülen drin, feine Nadeln mit offenem Auslass... jetzt weis ich warum sie mir zuerst das Pflaster gegeben hat. Zivilisiert... mir läuft es kalt die Arme runter, als sie mir erzählt das man früher diese Angelegenheit mit Messern besiegelt hat. Blut muss fließen, das habe ich verstanden. Meine Überzeugung, mein Glaube an die Sache wird dadurch bekräftigt... und das Opfer gibt dem Gott die Kraft, für mich zu tun... was ich nicht kann. Nicht darf. Es ist Zeichen meiner Schwäche und Stärke zugleich, Lebenskraft zu geben... um mich über die eigene Schwäche zu erheben. Erheben zu lassen. Von einem Gott. Einem fürchterlichen, grausamen Gott wenn ich sie verstanden habe. Aber ich will und kann meinen Jungen nicht verdreschen und hoffen das er mir danach zuhört, so funktioniet das nicht...
Für einen Krieger sei es das schlimmste was er tun kann, selbst und persönlich Hand an jemanden zu legen. Woher habe ich das nur...
Jetzt wie ich zusehe, wie ein kleiner Strahl klaren rots in diese Schale fließt... und durch dieses Loch einfach versickert, fühle ich mich warm... und klar. Mein Geist ist wach und belebt wie selten, ich fühle mich auf dem richtigen, dem guten Weg. Etwas wird passieren, ich habe mein Blut, meinen Willen dafür gegeben und die Wege geebnet.
Sie verbrennt Weihrauch während ich fließen lasse... und irgendwann, ist mir irgendwie klar, das es genug ist. Ich ziehe die Kanüle selbst, wie ich sie mir auch selbst gestochen habe... mit einer Selbstverständlichkeit als gäbe es nichts anderes für mich. Als hätte ich diese für mich absolut neue Handbewegung in meinem Leben schon so oft gemacht, das alles zur Routine verkommt. Ein Pflaster, etwas Druck... ihre guturalen Worte in einer Sprache die ich für tot halte oder einfach nur noch nie gehört habe... Phew.
Was wenn die Angst ihm schadet?
"Angst schadet dem Menschen nicht. Was ihm schadet ist einen anderen Menschen im Genick zu haben, der ihm mit Schlägen befiehlt was er zu tun hat."

Zwei... Nächte... später. Mir schadet die Angst.
Sie schadet mir. Ich... fürchte mich.
Dennoch, ich habe mein Blut dafür gegeben, jetzt ist das ganze nicht mehr zu ändern. Es ist entschieden. Der Teufel ist da... bei allem was mir lieb und heilig ist, diesen habe ich selbst beschworen. Mit meinem eigenen Blut. Ich konnte noch nie meine eigene Angst auf der Zunge schmecken wie zähen Sirup. Spüren wie der Geschmack die Kehle herunterrinnt und sie mit einem gewaltigen Knoten ewiglich verschließt, das ich glaubte zu ersticken... einfach so... mein Herz aufhöre zu schlagen.
Die Erinnerung ist so real, wenn ich meinen Jungen ansehe wird sie immer wieder aufs neue real. Auch für ihn, das kann ich sehen. Ich hätte nie gedacht, das es so aussehen würde. Das war ein alter Mann, glaube ich... aber das kann nicht sein. Wie ein Dämon ist er auf mein Zeichen hin erschienen, einfach so... aus der Dunkelheit ist er von irgendwo gelandet, eine Armlänge von meinem Jungen entfernt... und hat ihn grün und blau geschlagen. Mit einer Hand. Mit einer... einzigen... Hand. Ihn umhergetrieben wie ein Spielball. Dieses geschwollene Gesicht, eins seiner Augen ist fast völlig zugeschwollen...
Aber sie hatte recht.
Ich hasse die alte Hexe dafür.
Sie hatte recht.

Er hat angehalten.

Er wird wieder anhalten.
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Maldito Muerte
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