23 uhr 54
Am Adler Planetarium
https://www.google.de/maps/place/Adler+ ... a6!6m1!1e1
Die Nacht war kühl und der Himmel sternenklar, eine Seltenheit in diesen Nächten. Die Lichter der Stadt spiegelten sich auf der glatten Oberfläche des Lake Michigan, es war fast windstill. Das Planetarium schloss seine Pforten schon um 16 uhr und die fortgeschrittene Stunde im Zusammenspiel mit der Kälte hatten auch noch die letzten Spaziergänger und turtelnden Pärchen vertrieben. Dabei lud die gesamte Atmosphäre geradezu ein zu einem Mitternachtsspaziergang.
Die Weite des Sternenhimmels, die Weite des Lake Michigan, fast schon ein Binnenmeer, sie führten einem die eigene Vergänglichkeit vor Augen. Wie klein und unbedeutend war doch der Einzelne im Angesicht der Schöpfung. Selbst die Möwen, tagsüber eine stete Quelle des Lärms, waren nachts still. Je weiter man auf den See hinausblickt desto mehr schwinden die Reflektionen der Stadt und es ist kaum zu erkennen wo der Sternenhimmel aufhört und wo die Spiegelung beginnt.
Lichter, Dunkelheit, Reflektionen und in der Ferne der Lärm der Großstadt. Der Mann im dunklen Marinemantel am äußersten Ende der Landzunge scheint all das gar nicht richtig zu bemerken. Er steht völlig regungslos am Rande des Wassers und sieht hinaus auf den See. Eine blutige Träne wandert seine Wange hinab, er bemerkt es kaum. Sein Blick hat irgendetwas fixiert...dort in der Ferne...eine kleines Licht, es schwimmt auf der Wasseröberfläche. Es kann nicht größer sein als ein Teelicht.
Gelegentlich dreht ein Wachmann des Adler Planetariums seine Runden. Wenn er vorbeikommt tritt der Mann im Marinemantel einige Schritte vom Wasser zurück und nickt dem Wachmann zu, der wiederum den Gruß erwidert. Es scheint eine Art Ritual zu sein , dass sich alle Stunde lang wiederholt.
Der dunkel gekleidete Mann würde bleiben bis die kleine Kerze erloschen wäre und vielleicht noch ein wenig länger...