Nachtfilm [offen]


Nachtfilm [offen]

Postby Lou Cifer » 12 Jun 2015, 10:45

Die Straße selbst war nach wie vor das beste Kino. Es kostete keinen Eintritt, man musste sich auf kein festgelegtes Programm einstellen und da es für das wahre Leben keinen Trailer gab, kannte man die besten Gags auch nicht schon lange vorher.

Da die Platzwahl frei war, hatte die junge Frau sich einen Treppenaufgang zu einem anscheinend verlassenen Wohnhaus ausgesucht und als Leinwand hatte sie den Pritzker Park gewählt. Dort saß sie in ungefähr der Mitte der Treppenhöhe, die Unterarme auf den Knien abgestützt, eine Rumflasche lose mit beiden Händen festhaltend.

Es war Juni und somit selbst tief in der Nacht noch ziemlich mild. Selbst der Stein unter ihrem Hintern verströmte keine Kälte mehr und sie musste es ja wissen, denn sie trug kurze, dunkelblaue Jeansshorts, die ziemlich lädiert aussahen. Der Stoff war aufgerieben und löchrig, in der Modewelt hätte man das wohl Destroyed-Look genannt, nur dass diese Hose eben tatsächlich komplett abgetragen und nicht etwa extra so hergestellt worden war. Die nackten Beine waren lang und sportlich schlank, die Haut glatt und sonnengebräunt und bis auf ein paar helle Narben, die sie sicher noch aus ihrer Kindheit hatte, so gut wie makellos. Die Füße steckten in schweren Springerstiefeln, die jedoch nicht bis ganz nach oben geschnürt waren. Genauso abgetragen wie die Shorts. Dazu ein schwarzes, geripptes Tank-Top, eine graue Pilotenbrille, die am Ausschnitt hing und eine ziemlich gelangweilte Miene im Gesicht. Das Haar indes hatte sie zu einem straffen Zopf zurück gebunden.

In ihrer Nähe befand sich eine Straßenlaterne, welche einen matten, flimmernden Lichtkegel warf. Motten tummelten sich darin und ein paar Mücken. Eine übermäßig volle Mülltonne verströmte einen wenig einladenden Geruch nach verdorbenen Essensresten und sich darin suhlenden Maden. Glück für die junge Frau, dass ein leichter Wind ging, welcher den Geruch in eine andere Richtung als die ihre trieb.

Lebendig war die Ecke um diese Zeit nicht mehr gerade, aber eben auch nicht ausgesprochen tot. Es gab einzelne Fußgänger, manchmal kleinere Gruppen. Die Fahrzeuge waren schon wesentlich häufiger an der Zahl. Sogar im Park schienen sich noch ein paar Gestalten herum zu treiben. Alles in allem war die Kinovorstellung eben etwas mau, was auch den gelangweilten Gesichtsausdruck der jungen Frau erklärte.

Immerhin hatte sie Rum. Vielleicht ließ sich ja etwas schöntrinken.
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Re: Nachtfilm [offen]

Postby Othello » 12 Jun 2015, 11:44

Gerade als ihr gelangweilter Blick die Szenerie im Park erneut streifte, wurde sie mit einer Szenerie belohnt, die wohl der Trailer zu einem Nachtfilm sein konnte. Kein besonders origineller, aber immerhin etwas zum Schauen.

Es gab diese Menschen, die einfach nicht hören wollen. Chronische Wiederholungstäter, von der Welt im Allgemeinen emotional und intellektuell überfordert. Nicht in der Lage, dazu zu lernen, um Fehler aus der Vergangenheit zu vermeiden. Häufig zogen sie Spuren des Chaos und der Zerstörung hinter sich her. In diesem Trailer wirkten vier Darsteller mit. Nun, eigentlich fünf, doch einer von ihnen hielt sich derzeit noch im Hintergrund. Hauptdarstellerin war eine junge blonde Frau, der mit ihrer superkurzen gelben Hotpants, dem unverschämt offenherzigen, gleichfarbigen Bikinioberteil, den Fünfzehn-Zentimeter-Peeptoes, der creméfarbenen Prada-Handtasche und der Designer-Sonnenbrille das Wort "Opfer" geradezu auf die Stirn tätowiert war - neben "Daddys Little Girl" und "Flittchen".

Letzteres hatten drei weitere Darsteller wohl zum Anlass genommen, die Blondine zu verfolgen. Zunächst noch langsam und lauernd, dann, als das Opfer die Verfolgung bemerkte und seinerseits das Tempo erhöhte, hartnäckiger und zielstrebiger. Letztlich hatten sie sie etwa fünfzig Meter von Lou entfernt eingeholt und eingekreist. Es waren drei junge Männer, sommerlich gekleidet, so um die zwanzig, vielleicht auch fünfundzwanzig, die der Blondine offenbar zusetzten. Zu verstehen, was sie sagten, war schwierig, aber auch nicht nötig: Die Körpersprache sprach für sich. Sie zogen den Kreis enger und als sie wohl zu nahe gekommen waren und Daddys Little Girl ausholte und einem von ihnen eine saftige Ohrfeige zu geben, schubste ein anderer sie gegen einen der nahen Bäume und packte sie am Hals, ließ sich von ihrem wilden Zappeln kaum beeindrucken, während die anderen lachten.
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Re: Nachtfilm [offen]

Postby Lou Cifer » 12 Jun 2015, 12:29

Oh Mann.

Sie hatte auf eine Komödie gehofft. Irgendwas Erheiterndes. Aber nach Dramen stand ihr irgendwie nicht der Sinn. Und auch nicht nach dem Gekreische einer Tussi. Also sah sie in die andere Richtung und schwenkte der Inhalt der Flasche in ihrer Hand hin und her und dann im Kreis. Das leise Gluckern ging leider völlig unter. Und ein Held rannte auch nicht heran, um der … na ja, was auch immer … in der Not zu helfen. Es sah also ganz so aus, als würde sie sich das Gekeife noch eine ganze Weile anhören müssen.

Mit einem ergebenen Seufzen sah sie nun doch wieder zu dem Film hin. Nie wieder Sneak Peek! So viel stand fest.

Es gab nun zwei Möglichkeiten, wie sie feststellte. Die erste und wahrscheinlichere war, dass sie sich einfach in aller Ruhe ansah, was passierte und dabei gelangweilt weiter trank. Vergewaltigungen gehörten doch schon zum guten Ton in dieser Zeit. Die zweite und weniger Wahrscheinliche war, dass sie Miss Hotpants half. Also kurz im Drehbuch blättern … und beschließen, dass da noch eine weitere Rolle zu vergeben war.

Mit einer Handbewegung löste sie das Haargummi und fuhr sich ein paar Mal durch das lange Haar, drapierte es hübsch über eine der schmalen Schultern und zuppelte sich das Tank-Top zurecht. Zog es genauer gesagt etwas nach unten. Mutter Natur hatte sie schließlich mit ordentlichen Reizen ausgestattet, warum also damit geizen? Maske abgeschlossen. Klappe, Action.

Ganz zufällig ging also auch sie in dieser Nacht diese eine Straße entlang. Auf der einen Seite der Park, auf der anderen die Häuserschluchten. Und weil es in dieser Szene noch mehr Zufälle gab, kam sie natürlich auch in der Nähe der Gruppe vorbei … und blieb verwundert bis überrascht stehen … und rief ihnen schon fast erschrocken zu ... näherte sich dabei ohne sichtlich darüber nachzudenken weiter an.


“Hey … he! Hört sofort auf mit dem Quatsch, lasst sie in Ruhe!“

Dass ihre Stimme viel rauer war, wenn sie normal sprach, konnte keiner der anderen Darsteller ahnen. Sie sprach auch höher und viel weicher als sonst und klang dabei … besorgt … ängstlich? Sich dessen, was sie gerade getan hatte, gar nicht mehr so sicher. Und trotzdem war sie scheinbar mutig genug, um sich mit zitternden Knien weiter an die Gruppe anzunähern. Klammerte sich dabei mit beiden Händen an der Rumflasche fest, weil das im Moment offensichtlich der einzige Halt für sie war. Helden waren selten dieser Tage. Leichtsinnige gab es dafür umso mehr und so wie es aussah, gehörte die junge Frau dazu.

“Ihr … ich meine, Ihr seid zu dritt und … sie … also lasst sie einfach in Ruhe.“

Der Blick wanderte von einem der jungen Männer über den nächsten. Besorgt, so wie es aussah … besorgt genug, um feststellen zu können, ob es Waffen oder Gegenstände gab, die man als solche benutzen konnte …
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Re: Nachtfilm [offen]

Postby Othello » 12 Jun 2015, 15:52

Die Überraschung, die den jungen - wenn auch athletischen - Männern ins Gesicht geschrieben stand, als da jemand auf sie zu kam und sich in ihre Angelegenheiten einzumischen versuchte, ließ vermuten, dass der Auftritt der Fremden tatsächlich nicht im Script stand. Als hätte der Drehbuchautor mit der - sehr viel wahrscheinlicheren - Variante gerechnet, in der die Fremde einfach sitzen blieb und sich das Schauspiel ansah. Ihr kundiger Blick stellte mindestens zwei Messer fest. Das eine war noch verborgen in der Hosentasche eines der beiden etwas hinten stehenden, das andere war wie von Zauberhand in der Hand des augenscheinlichen Wortführers erschienen. Kurz danach, als die Fremde noch etwa zehn Meter entfernt war, hatte er die teuer aussehende Handtasche von Barbie - oder besser deren Schultergurt - zum ersten Opfer dieser Szene gemacht, wohl um gegenüber der Blondine die Muskeln spielen zu lassen.

Die junge Frau hatte derweil immer wieder auf die drei Jungs eingeredet und schwankte dabei zwischen einem beschwörend-flehentlichen und einem manisch-provokanten Tonfall hin und her, fast wie eine Schlange, die mit den Bewegungen des Kopfes den Gegner verwirren wollte. Nur dass Daddys Little Girl in der derzeitigen Pose wenig Ähnlichkeit mit einer Schlange hatte, sondern eher mit einem eingeschüchterten Opossum. Ihre zierlichen Hände hatten sich an das Handgelenk des Mannes mit dem Messer gelegt, welcher die große Hand um den dünnen Hals der Blondine geschlossen hielt und in der anderen Hand mit dem Messer herumfuchtelte. "Na komm schon, jetzt zier dich nicht so! Vorbeugen, drei Mal den Hintern hinhalten und du kannst nach Hause. Da drüben ist ne nette kleine Parkbank..." Die Stimme wies auf ein gewisses Alter hin, vermutlich war er der Älteste der drei.

Die beiden anderen hatten sich vor dem Wortführer aufgebaut und versperrten der Fremden somit den Weg zum Baum. Einer verschränkte bloß die Arme, der andere legte die Hand an die Tasche, in der das Messer ruhte. Sie wurde aufmerksam gemustert, und sie konnte förmlich spüren, wie Schubladen geöffnet und sie rigoros in eine davon gesteckt wurde. Sie sah aus wie ein Mädel aus der Gosse, die zerschlissene Hose und die Flasche Rum genügten schon als Indiz. Ihre aufrechte Sorge passte nicht ganz dazu, denn eigentlich kümmerten die Leute aus der Gosse sich um ihre eigenen - zahlreichen - Probleme. Aber vielleicht war sie auch nur betrunken. Der mit dem Messer in der Hosentasche lächelte sie an - der mit den verschränkten Armen sah hingegen sehr ernst aus - und meinte dann in gespielt-jovialem Tonfall: "Es ist doch ein wunderschöner Abend. Warum gehst du nicht einfach wieder, hm? Der Park ist doch wohl groß genug... ich bin sicher, du wilst keinen ernsthaften Ärger mit uns haben, oder?" Er wirkte kein bisschen betrunken, war aber offenbar auch nicht übermäßig interessiert daran, einen weiteren Passanten mit in die Sache hinein zu ziehen.

Unbemerkt beobachtet wurde die Szene vom großen Unbekannten [Verdunkelung 2]. Der Drehbuchschreiber? Nein, bloß ein weiterer Darsteller. Eine Art Joker vielleicht. Doch auf welcher Seite, würde sich noch zeigen. Er stand etwas abseits der beiden Jungs, die der Fremden den Weg versperrten, sodass er alle fünf Beteiligten im Blick hatte. In aller Seelenruhe schraubte er einen Schalldämpfer auf.
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Re: Nachtfilm [offen]

Postby Lou Cifer » 17 Jun 2015, 15:03

[Sorry, ganz übersehen!]

Das eingeschüchterte Opossum ließ die junge Frau links liegen. Dafür heftete sich ihr Blick auf diejenigen, welche ihr den Weg versperrten. Sah erst den einen an, dann den anderen.

Aus der Nähe betrachtet mochte man erkennen, dass sie kaum sehr viel älter als Mitte zwanzig war. Die Haut gesund und sonnengebräunt, ein Teint, der zusammen mit ihrer Gesichtsform, den glatten, schwarzen Haaren und den dunklen Augen ein kleines Rätsel in Bezug auf ihre ethnische Herkunft gab. Es konnten indianische Einflüsse sein, Asiatische, vielleicht auch Südamerikanische. Sicher war nur: Sie war nicht weiß. Ein Mädel aus der Gosse konnte sie sein. Sicher. Die Kleidung sah jedenfalls nicht danach aus, als hätte sie viel Geld – obwohl zumindest die Springerstiefel im Grunde von ausgesuchter Qualität waren. Nur trug die junge Frau sie eben schon so lange, dass das Leder teilweise schon brüchig geworden war. Und welche Frau trug schon ständig die gleichen Schuhe? Das Haar indes war viel zu gepflegt und gesund für jemanden, der in der Gosse lebte. Der Gesichtsausdruck an sich viel zu ausgeruht … ernst, ja. Aber nicht von Sorgen geplagt, die jemand aus der Gosse kannte.


“Das war er, ja.“ sagte sie auf die Erwähnung des wunderschönen Abends hin und als würde sie sich versichern, wollen, dass der Abend bis dato auch wirklich wunderschön gewesen war, sah sie sich aus den Augenwinkeln etwas um … ohne die beiden Gestalten vor sich gänzlich aus den Augen zu lassen. Auf alles gefasst, wenn man so wollte. Und sei es nur auf den Penner, der aus dem Gebüsch kroch, weil ihm im Halbschlaf eingefallen war, dass er noch eben gegen einen Baum pissen musste.

“Ruhig, entspannt, man konnte die Gedanken etwas schweifen lassen, in Ruhe ein paar Schlückchen trinken …“

Ihr linker Mundwinkel zog sich ein Stück zur Seite und es entstand so etwas ähnliches, wie ein Grinsen. Freudlos, von einem Lächeln noch weit entfernt.

“… und dann hast Du es zusammen mit Deinen Kumpels einfach versaut.“

Der Kopf neigte sich ein kleines Stück zur Seite, nachdem sie ihn zur Bekräftigung der eigenen Worte kurz geschüttelt hatte. Die Stimme war jetzt gar nicht mehr weich und spielerisch, sondern kehrte zu ihrer eher rauen, dunklen Nuance zurück. Fest gesprochene Worte, von einer Sicherheit beseelt, welche eine andere Frau an ihrer Stelle in so einer Situation kaum gezeigt hätte. Nicht, wenn es da nicht etwas in der Hinterhand gäbe, das die Furcht vor ein paar Typen … ein paar Messern … unnötig machte.

“Dazu kommt noch, dass dieser Park hier sowas wie mein Vorgarten ist. Ihr drei habt Euch also nicht nur eine denkbar beschissene Zeit ausgesucht, um mal eben einen wegzustecken, sondern auch einen denkbar beschissenen Ort. Wäre also besser für Euch drei, wenn Ihr Euch wieder verpisst. Ob mit oder ohne den Schreihals ist mir sogar egal. Aber wenn es Dir nur um den Ärger geht …“

Das leichte Grinsen in ihrem Gesicht wurde deutlicher, die hellen Zahnreihen bildeten ein fast schon bösartiges, wenn nicht gar mordlustiges Lächeln, vermischt mit der schlichten Tatsache, dass ihrerseits ganz gewiss keine Selbstüberschätzung im Spiel war. Alles an ihr … die sich vorbereitenden, anspannenden Muskeln, die Körperhaltung, welche sich routiniert und nur minimal veränderte … sprungbereit, angriffslustig … umgarnte dieses eine Wort, welches sie beinahe schon süffisant ausgesprochen hatte. Ärger.

“… dann bist Du bei mir genau richtig, Schätzchen.“

Der Teufel selbst hätte beim Vorlegen eines Vertrages nicht süßer klingen können.
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Re: Nachtfilm [offen]

Postby Othello » 18 Jun 2015, 10:20

Eigentlich erstaunlich, denkt der Kerl sich so, dass er plötzlich gar nicht mehr scharf darauf ist, sich mit der Ollen anzulegen. Dass seine Kehle trocken wird und der Griff nach dem Messer in seiner Tasche eher der Selbstbestätigung dient als der Vorbereitung. Was ist mit diesem Mädel los?! Etwas an ihr wirkte gefährlicher als ein Sack Skorpione. Sie an den Gesichtern der beiden Halbstarken erkennen, wie es hinter ihren Stirnen ratterte. Zahnräder drehten sich unaufhörlich und nach einer gefühlten Ewigkeit, die bloß gefüllt war vom Winseln und Betteln des Opossums, das noch immer mühelos gegen den Baum gedrückt wurde, wandte der Wortführer dem Straßenmädchen die Seite zu und rief in Richtung des Peinigers. "Lass uns abhauen, Andy." Seine Stimme war scharf und wies einen unüberhörbaren Befehlston auf. Der Angesprochene, der gerade dabei war, der sich heftig wehrenden Blondine den Minirock auszuziehen, fühlte sich offenbar gestört und maulte zurück: "Verpiss dich doch, du Schwanzlutscher! Ich hau erst ab, wenn ich fertig bin!" Der erste hingegen, der während der Antwort von Andy das Straßenmädchen im Blick gehalten hatte, machte nun jedoch langsam einige Schritte zurück und zog den Möchtegernvergewaltiger an der Schulter zurück. "Lass gut sein, Andy. Du kannst woanders deinen Spaß mit ihr haben. Wir nehmen sie mit." Dabei hielt er den Blick die ganze Zeit über auf die Frau mit den lumpigen Springerstiefeln und der kaputten Jeans gerichtet. Anschließend machten die beiden, die sich ihr zunächst in den Weg gestellt hatten, daran, den dritten Kerl und sein Opfer vom Baum weg zu zerren.
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Re: Nachtfilm [offen]

Postby Lou Cifer » 18 Jun 2015, 10:48

Die Frau war ihr egal.

Vielleicht hatte es den einen, kurzen Moment gegeben, in welchem die Blondine gehofft hatte, dass ihr jemand zu Hilfe gekommen war. Dass ihr die bevorstehende Pein erspart wurde und diese Nacht nicht so schrecklich für sie enden würde. Aber wie die junge Frau mit der Flasche Rum in der Hand es schon gesagt hatte: Ob die Jungs den Schreihals mitnahmen oder nicht, war ihr vollkommen gleich. Es spielte keine Rolle. Vielleicht war die Indianerin, Latina, Asiatin oder was auch immer da in ihrem Blut floss auf einfach nur ein fieses Miststück, das sich dachte: Selber schuld. Dann lauf eben anders rum. Wobei sie selbst auch nicht grade auf Hochgeschlossenheit setzte, aber das hätte man ganz typisch auch einfach darauf schieben können: Frauen.

Was die Beweggründe auch sein mochten, dass sie der Blonden gar nicht erst zu helfen gedachte, diese noch nicht einmal großartig ansah, blieb letztlich ihr allein vorbehalten. Die junge Frau sah sich lediglich an, wie die beiden Fremden vor ihr zum Rückzug bliesen, den Typen am Baum und die Blondine wegzuzerren versuchten … und verzog dabei keine Miene.

Hauptsache, in ihrem Vorgarten kehrte wieder Ruhe ein …
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Re: Nachtfilm [offen]

Postby Othello » 18 Jun 2015, 11:32

Aber ob sich diese Hoffnung erfüllen würde, blieb fraglich.
Ja, die drei - vier - Störenfriede zogen sich zurück, wobei sie der Asiatenindianerinlatina immer wieder skeptische Blicke zuwarfen, zumindest bis sie ein gutes Stück entfernt waren und sich sicher fühlten. Doch kaum dass die Jungs aufgehört hatten, sich immer wieder zu dem merkwürdig einschüchternden Straßenmädchen umzudrehen, nahm eben diese einen Fleck am Rande ihrer Wahrnehmung wahr. Keine Bewegung im eigentlichen Sinn, sondern eher etwas, das plötzlich erschien. Obwohl ein tief im Inneren verwurzelter Teil von ihr, deren leises Flüstern sie schon die ganze Zeit darauf hingewiesen hatte, dass da jemand neben ihr steht, nur verzweifelt mit den Augen rollen mochte.

Dort stand jemand. Vielleicht eineinhalb bis zwei Meter von ihr entfernt. Hochgewachsen, verwaschener Dick Tracy-Trenchcoat, kaum nennenswerte Schultern, hager und dürr. Ein Araber mit einer weißen Mütze über den kahl geschorenen Haaren, der sie unverwandt beobachtete. Es mochte selten Gesichter wie dieses geben - so leer wie Schwarzes Loch und ebenso tief. Völlige Entspannung der Gesichtsmuskeln sorgte für ein regungsloses Gesicht. Ein Hauch von Trauer vielleicht, da die Mundwinkel leicht herab hingen, doch offenbar ohne jeden Grund.

"Mh, an hätte, mh, einen können, Sie würden ihr...äh...helfen. Interessant." Die Stimme des Fremden klang dunkel und voll, wie ein Sack brasilianischer Kaffeebohnen. Eine Stimme, die das Potenzial hatte, einzulullen, die aber gleichermaßen so wirkte, als würde sie davon nur äußerst selten Gebrauch machen.
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Re: Nachtfilm [offen]

Postby Lou Cifer » 18 Jun 2015, 11:52

Als die Gruppe sich entfernte, schüttelte die junge Frau langsam den Kopf und hob die Rumflasche in ihrer Hand leicht an, in der Absicht, einen Schluck daraus zu trinken. Und kaum hatte das klare Hellbraun ihre Lippen benetzte, wanderten die Augen in die Winkel und somit der Blick zur Seite und die Flasche sank langsam wieder nach unten, blieb mit dem Flaschenhals in der Hand liegen.

Dort stand jemand und es schien sie nicht zu überraschen, auch wenn es dann doch nicht der Penner war, der nochmal kurz musste. Besonders schreckhaft war sie jedenfalls nicht und das obwohl es sicher unerwartet war, dass da auf einmal jemand war und sie ansprach.

Der Kopf drehte sich etwas, der Blick wanderte zu dem Fremden und weil er so praktisch da stand, musterte sie ihn von oben nach unten und wieder zurück und genauso schnell, wie sie zuvor von den nächtlichen Störenfrieden in eine Schublade gepackt worden war, packte sie nun wohl den Fremden in eine solche. Und sie schien nicht besonders zufrieden damit, dass es mit dem Verschwinden der drei Typen samt Kuscheltierchen nicht getan war. Ganz und gar nicht zufrieden, weshalb ihre raue Stimme auch ein wenig nach Anschnauzen klang.


“Dem dummen Ding helfen? Womit? Indem ich den Typen ne Flasche über den Kopf ziehe?“

Als hätte sie den guten Rum verschwendet. Der gar nicht so gut war. Eigentlich sogar ziemlich billiger Fusel und eine Schande für alles, was sich Rum nannte. Aber wenigstens brannte er schön in der Kehle.

“Reicht doch, dass heutzutage jeder paranoide genug ist, um sich sofort zu verpissen, wenn man ihm droht.“

Und mit dieser Ansage hob sie die schmalen Schultern und ließ sie wieder sinken. Der Tonfall klang jetzt weniger anschnauzend, blieb jedoch auf gewisse Weise provozierend und angriffslustig.

‘“Aber wenn’s ums helfen geht, stehst Du ja auch nicht grade Schlange, was?“
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Re: Nachtfilm [offen]

Postby Othello » 18 Jun 2015, 15:33

Ohne eine Miene zu verziehen ließ der Araber den prüfenden, beinahe schon bewertenden Blick der Fremden über sich ergehen, hatte offenkundig kein Problem damit, von ihr in eine Schublade gesteckt zu werden. Während sie ihn betrachtete, wurde sie nämlich seinerseits dabei betrachtet. Erstaunlich, was für Informationen man gewinnen konnte, wenn man Leute dabei beobachtete, wie sie andere Leute beobachten. Als sie damit fertig war, sich ein Bild des Fremden zu machen, hatte sie mindestens eine neue Erkenntnis erlangt: Der Typ war so nervös wie ein Stock Bienen ohne Königin. Sein Blick huschte hin und her, als würde er jedes Detail der Umgebung erfassen wollen. Ein weiteres Indiz war eine gewisse Spannung in seinem Körper. Seine Hände lagen in den großen Taschen des Trenchcoats, doch man konnte förmlich erahnen, wie er sie dort vor Anspannung zu Fäusten geballt hatte. Es war nichts Offensichtliches, sondern eher ein Eindruck. Der eines gespannten Gummibands, das ihr jederzeit ins Gesicht flitschen konnte. Zwar kehrte der Blick immer wieder zu ihrem Gesicht zurück, doch nahm er dabei zahlreiche Umwege.

"Warum sollte...äh...ich? Ist doch Ihr verdam, mh, ter Vorgarten.", erwiderte er mit einigem Zögern und Wortdehnungen an ungewöhnlichen Stellen. Fast, als würde er darstellen wollen, dass die gewöhnlichen Regeln der Aussprache für ihn nicht gelten. Reine Egozentrik oder wirklicher Sprachfehler? So wie er da stand, alles andere als lässig, wenn auch auf den unbedarften Beobachter so scheinend, spielte es vermutlich keine Rolle. Er wirkte wie jemand, der sich zusammen reißen musste, um nicht hoch zu gehen.
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