by Amber White » 12 Jun 2015, 10:39
Mumifizierung … Chemie … Gastvorlesung …über eine mumifizierte Katze …
„Wissen Sie, wir wollten es so detailgetreu wie möglich machen, so wie die alten Ägypter.“ Ihre etwas zu schrille Stimme ist gut zu hören, für einige vielleicht zu gut, denn sie quietscht etwas in den eigenen Ohren. Eine Frau vom Typ, ich sehe nicht nur super aus, sondern bin auch noch Klug dazu. Jedoch am wichtigsten ist, dass alle das auch mitbekommen. Sie ist groß gewachsen, auf den Pumps mit den hohen Absätzen, bestimmt etwas über ein Meter achtzig. Brünette Haare, die sich wie ein Wasserfall ergießen, schlanke Figur, mit einem hübschen Gesicht und einem Schönheitsfleck, der diesem das besondere Etwas verleiht. Sie trägt eine Brille mit einem kräftigen schwarzen Rand, den Gläsern nach zu urteilen aber nur zu modischen Zwecken. Das Kleid welches sie gewählt hat, sorgt regelmäßig dafür, dass die hier anwesenden Männer sich den Hals nach ihr verrenken. So eng anliegend wie es ist, umschmeichelt und betont es gekonnt ihre weiblichen Rundungen.
Die Frau daneben, oder besser gesagt das Mädchen, sieht aus wie eine typische Studentin, eine verschüchtert und in sich gekehrt wirkende Studentin. Die Haare sind blond und hängen offen über ihre Schultern. Sie sehen ein wenig so aus, wie morgens nach dem Duschen gerade noch einmal kurz durchgekämmt. Ihr Gesicht ist, wenn dann nur kaum wahrnehmbar geschminkt. Die Augen sind strahlend Blau und wohl das auffälligste an dem Mädchen. Sie trägt einen schwarzen Rollkragenpullover, darüber eine dunkelbraune Lederjacke. Dazu eine blaue Jeans, die für ihre schlanken Beine wohl etwas zu weit und ausgebeult ist und ehemals weiße Sneaker. Die junge Frau geht förmlich unter neben der Brünetten.
Frau Doktor Melissa Preston ist voll in ihrem Element, seit dem ich sie angesprochen habe, ob sie mir nicht ein wenig mehr erzählen könnte. Sie wird nicht müde zu betonen, wie gut sie zwar mit dem Professor zusammengearbeitet hat, aber der eigentliche Erfolg der Arbeit ganz klar ihr zuzuschreiben ist. „Im alten Ägypten glaubten sie an die Wiederbelebung nach dem Tod, aber nur unter der Voraussetzung, dass die Seele den Körper wiederfinden und wiedererkennen konnte.“ Fährt sie fort und ich wage es nicht sie zu unterbrechen, hänge quasi wie ein Fisch am Haken, welcher die Form ihren glanzvollen Lippen hat und scheine jedes Wort von ihr zu verschlingen. Nur ab und an quittiere ich ihre Sätze mir einem sachten Nicken, um ihr zu verstehen zu geben, ich höre noch zu. „Damit eine Seele den Körper wiederfindet, muss dieser unversehrt sein.“ Sie zaubert mit ihren Mund ein wundervolles Lächeln. „Zunächst entfernten wir das Gehirn, durch die Nase mittels eines Hakens. Danach öffneten wir den Leichnam durch einen Keilschnitt, abdominal-lateral. Eine andere Technik wäre das weiten des Anus.“ Ich sehe sie mit großen Augen an, so als würde ich nicht glauben, den Anus weiten … gut als ob es einer Leiche etwas ausmachen würde … aber …
Ungerührt, von meinem ungläubigen Blick fährt Frau Doktor in ihrem Redeschwall fort. „Nun folgt der Schritt der Einbalsamierung. In die von uns geschaffene Öffnung träufelten wir eine Mischung aus Myrrhen- und Zedernöl sowie Radieschenpresssaft. Der schwierige Teil allerdings kommt erst noch, wir mussten die Katze aufrecht zusammenbinden und in einen länglichen, großen Tontopf stecken, der mit einem speziellen Öl aufgefüllt wurde. Einen menschlichen Leichnam, hätte man einfach mit angewinkelten Knien zusammengebunden, bei einer Katze ist das hingegen etwas schwierig.“ Ich gehe einfach nur neben ihr her, laufe quasi in ihrem Schatten, ihr Ziel ist jedoch ganz klar die mumifizierte Katze. „In diesem Tontopf bleibt der Leichnam etwa vier bis sechs Wochen, in der Zeit verflüssigen sich die inneren Organe durch die Ölmischung und laufen ab, nur das Skelett und die Haut bleiben übrig. Nun haben wir die Katze gewaschen und wie damals mit einer Mischung aus Kamel- oder Pferdeurin und speziellen Ölen sowie Weihrauchharz gegerbt.“
Und dann stehen wir auch schon vor den Objekt und die Frauen die sich das Exponat gerade anschauen werden von Frau Doktor, man kann es durchaus rüde und etwas grob nenne, zur Seite gedrängt. Ich sehe von den Frauen zu Frau Doktor und sage mit leiser Stimme „Das war nicht nett.“ Danach schaue ich mit einem entschuldigenden Blick zurück zu den beiden Frauen. Warum entschuldige ich mich denn, ich hab doch gar nichts gemacht ... Ungerührt davon macht Frau Doktor mit ihrem Monolog weiter „Bei hochgestellten Persönlichkeiten war es üblich, die inneren Organe in speziellen Gefäßen aufzubewahren. Sie wurden also nicht verflüssigt. Das Herz beließ man zumeist an seinem Platz in der Leiche, welche gelegentlich noch zusätzlich mit einer Mischung aus Wolle, getrockneten, antiseptischen und wohlriechenden Kräutern und Weihrauchharzperlen ausgestopft wurde.“ Frau Doktor hat geendet, steht nun da, vor ihrem Werk und schaut mich an. Ihr Publikum. Sie wartet offensichtlich darauf, dass alles um sie herum in Applaus und totaler Verzückung ausbricht … aber ich stehe einfach da und schaue auf die mumifizierte Katze im Glaskasten…
Chaos isn't a pit.
Chaos is a ladder.