Drown In Ashes [Ambiente]


Drown In Ashes [Ambiente]

Postby Lou Cifer » 27 May 2015, 17:50

I drown in ashes you've enshrined.
Of blissful days long gone by.
Concealed behind my dying eyes.
This hell of anger and weary lies.


Tief in der Nacht an einem beliebigen Tag, zu einer beliebigen Zeit. Robuste Sohlen mit abgetragenem Profil trugen gedämpfte und zügige Schritte durch die diesige Nacht.

Wenn es Chicago an etwas nicht mangelte, dann an leeren Gassen. Man fand sie überall. Zwischen Häuserschluchten, in Form von Unterführungen, im Park gesäumt von Bäumen, zwischen Wagenkolonnen während des Feierabendverkehrs. Es mangelte nicht an dunklen Nischen, in welchen sich nachts Obdachlose schlafen legten. Nicht an unbeobachteten Orten, an welchen sich Junkies den nächsten Schuss setzten. Und doch lastete einem der Druck des vergangenen Jahres so schwer auf den Schultern, dass es sich anfühlte, als müsste man die kritisch beobachtenden Blicke der Stadt und der Zeit auf seinen Schultern tragen. Schritt für Schritt.

In einer dieser unzähligen Gassen war in dieser Nacht niemand anzutreffen. Ein paar Ratten vielleicht, die sich quiekend und keifend um den Kadaver einer gerade erst verendeten Katze stritten. Aber kein Mensch, der das trübe Idyll störte. Und auch nichts anderes. Bis zu dem Moment zumindest, als eben diese zielgerichteten Schritte in diese Gasse hinein wanderten und die Stille genauso verjagten, wie die nach dem Vorübergehen gleich wieder kehrenden Ratten. Die Gasse war nur ein Durchgang. Der Weg zum Ziel. Es gab hier nichts, das verweilenswert war. Nichts Spannendes. Kaum eine Tür und nichts Besonderes, außer ein paar Schmierereien an der Wand. Street-Art, die Häuser als Leinwand benutzte. Eher mäßig ausgeführt und kaum der Rede wert, geschweige denn eines längeren Blickes. Und dennoch blieb die Person auf einmal abrupt stehen. Begann zu … starren.


A frame of mind, a dismal soul.
My final womb, this flesh turned cold.
You held me down and let me bleed.
My love, it died, along with me.
A world of scars and caresses pale.
And thoughts as chaste as pristine dew.
And flowers placed across your face.
I trace the life I've lost with you.


In der Nacht waren alle Katzen grau, sagte man. Sogar die Toten, bezeugt durch das von Ratten angefressene Exemplar. Und nachts waren alle Augen Schwarz, durfte man annehmen. Besonders jene, welche auf eine purpurfarbene Hinterlassenschaft starrten. An Ort und Stelle festgenagelt von dem Anblick, welcher sich ihnen so unvermittelt bot.

Farbe, die längst vertrocknet war. Ein Bildnis, mehr ein Symbol, das sich in die dunklen Augen brannte und dann …


“Am Ende der Straße … wir kriegen sie! Wir kriegen sie!“

„Hast Du noch Munition?“


Sie hatte es immer geliebt, wie er sie ansah, wenn er ihr diese eine, widerspenstige Haarsträhne hinter das Ohr strich. Die Strähne war so widerspenstig, dass sie meistens direkt wieder hinter dem Ohr hervor sprang und bis auf dieses eine Mal hatte er immer direkt darüber gelacht.

„Geh mit Rafael!“

„Hast Du jemals darüber nachgedacht, von hier zu verschwinden?“

„Beeil Dich!“

„Achtung!“

„Ich fand den Kuchen bei Tante Lucia immer am besten. Keine Ahnung, warum ich ausgerechnet jetzt daran denken muss.“


Ihre Hände waren die Schaufeln und mit ihnen gruben sie kleine Kanäle. Kreuz und quer, bis spät in die Nacht. Später bauten sie die Kanäle sogar noch mit Kieselsteinen aus, richtig professionell, wie sie fanden. Trotzdem versickerte das Wasser immer direkt wieder. Sie konnten darüber lachen, es ging ja um nichts. Irgendwann hatten sie sogar einen Goldring gefunden, den eine Frau bestimmt verzweifelt suchte. Als sie ihn verkaufen wollten und hörten, dass er nur aus Blech sei, waren sie sich der Verzweiflung der Frau allerdings nicht mehr ganz so sicher. Aber immerhin hatte der Ring ihnen was eingebracht. Und die davon gekauften Kaugummis teilten sie brüderlich untereinander auf.

„He! Geht es Dir gut?”

“Rafael?“


Wenn er vorbei kam und was trinken wollte, versuchte sie immer, sich zu verstecken. Dabei hatte er ihr nie etwas getan. Keinem hatte er vermutlich je etwas getan. Trotzdem hatte sie Angst vor ihm. Eine unbegründete, kindliche und lang anhaltende Angst, für die es nicht einmal eine sinnvolle Ursache gab. Was später aus ihm geworden war, wusste sie nicht. Elena hatte erzählt, er sei von einem Lastwagen überfahren worden. Paolo sagte, er hätte jetzt eine Freundin und würde in der selben Straße wie Pia wohnen und deswegen nicht mehr vorbei kommen, weil Pedros näher sei. Wegen einer Arbeit war er jedenfalls nicht weg. Dessen war man sich einig.

„Rafael …“

„RAFAEL?!“


This bleakest pit that you've unveiled.
I hate to love as it is pain.
My hands are cut but I still sail.
An ocean of sadness in the rain.


Als das heftige Stechen im Kopf endlich vorüber ging, fand sich die Gestalt auf dem Boden sitzend und mit dem Rücken gegen eine verputzte Hauswand gelehnt wieder. Ihr war schwindelig. Irgendwie kalt und irgendwie heiß. Ihr Schädel pochte und wenn sie sich nicht täuschte, dann war ihr sogar übel. Sie spürte dem Spannen des Kiefers nach, dem Nachlassen des Drucks, welchen sie auf ihre eigenen Zähne ausgeübt hatte. Und berührte mit den Händen den nackten, kalten Boden unter sich. Fühlte sogar durch die Lederhandschuhe durch, wie nackt und kalt er war. Nicht nackter oder kälter jedoch als die Tatsache, dass …

Mit einem hörbaren Ausatmen lehnte die Gestalt nun auch den Kopf an die Wand zurück und starrte das purpurfarbene Zeichen aus halb geöffneten Augen an. Vereinzelt lösten sich Farbnasen von dem Symbol, irgendwann auf dem Weg zum Boden hin doch noch eingetrocknet. Es sah nicht aus, als hätte sich jemand viel Zeit zum Sprühen oder Pinseln genommen. Trotzdem wusste er, was er tat. Hatte an die kleinen Details gedacht? Die Gestalt hob die Hand an, um die aufkommende Wärme unter der Nase wegzustreichen und sah dann überrascht, wenn nicht sogar etwas ungläubig, auf das frisch glänzende Blut hinab. Nasenbluten. Wann um alles in der Welt hatte sie das letzte Mal Nasenbluten? In diesem Augenblick erschien ihr mit einem Mal alles so fürchterlich grotesk, dass sie nicht anders konnte, als zu lachen. Ein raues, leises und trotzdem volles Lachen, das kurz darauf mit einem Taschentuch erstickt wurde, als die Gestalt ein solches heraus holte, um sich die Nase, die Oberlippe und vor allem auch die befleckte Hand zu säubern.

Nasenbluten.

Einige Augenblicke saß sie dann noch da, steckte irgendwann das zusammen geknüllte Taschentuch in die eigene Hosentasche …


My flesh, my blood.
My wound, my cry.
My broken back, my all now dies.


… stand auf …


My soul, my tomb.
My pain, my joy.
My darkest mind, my love destroyed.


… und dann erklangen die dumpfen Schritte wieder und die dunkle Gasse wurde der leeren Gestalt beraubt.”
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Lou Cifer
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