Die Frage war wohl, wie man 'Sieg' definierte. Wäre es ein Sieg, wenn er jetzt einfach hineinging und der Verlockung nicht nachgab, die da vor ihm in Reichweite stand? Wäre es ein Sieg, wenn er sich holte, was er wollte? Alles war relativ und letzten Endes eine Frage des Blickwinkels. Man könnte auch sagen, er sei ein Vollidiot, sich diese Chance entgehen zu lassen, nur weil sie Krallen zeigte und er sich an die Illusion männlicher Dominanz klammerte. Man könnte auch sagen, es sei reichlich erbärmlich, einfach so seinen Bedürfnissen nachzugeben, statt ihr zu zeigen, dass er es wirklich nicht nötig hatte, wenn sie sich doch zierte. Nun ja, ihre Vorzüge präsentierte. Kam wohl darauf an, wenn man fragte. Oder darauf, ob man glaubte, dass hier überhaupt Sieg oder Niederlage nötig waren. Ob man mit oder gegeneinander spielte. Ob Spaß an der Sache nicht einfach genug war, gerade wenn man sich eigentlich gar nicht kannte. Alles eine Frage der Definition.
Er hätte sie darauf hinweisen können, dass sie sich ja ebenso gut holen könnte, was sie wollte, sie starrte ja gerade darauf. Warum sollte er kommen? Es gab ihn nicht als Geschenk, so wie eine Mütze. Sie könnten ein Patt daraus machen. Aber so lief das Spiel nicht. Nicht, wenn Bewegung drin bleiben sollte.
Sein Blick ruhte auf ihr. Auf jeder ihrer Bewegungen. Dieser Blick und das schiefe Grinsen zeigten, dass ihm sehr wohl bewusst war, was sie da tat. Welche Mechanismen sie sich zunutze machte. Dass er das mehr als nur zu schätzen wusste. Und sie zeigten, dass er sich entschloss, mitzuspielen. Dass es jetzt an der Zeit war, das zu tun, was von ihm erwartet wurde, dass es nun wirklich an der Zeit war, aktiv zu werden. Nicht nur bellen, auch beißen. Und schließlich hatten sie es ja gemeinsam herausfinden wollen, hmm?
Vielleicht konnte sie das in seinen Augen lesen, während er dort stand und die Show genoss, jede Kontur, jede Rundung angemessen bewunderte. Gottes Werk ja, das war sie, aber holla, des Teufels Beitrag war auch nicht ohne. Jetzt wieder aufrecht stand er immer noch da, das Cap immer noch verkehrt herum getragen, eine Hand locker am geöffneten Türblatt.
Sie bewegte sich mehr als er. Ihre Mimik war lebhafter, ihre Bewegungen, sie tänzelte um ihn herum, buchstäblich wie sprichwörtlich. Zeigte ihre ganze Energie nach außen. Aber jetzt war es eine bewusste Entscheidung, loszulassen. Aktiv zu werden, so wie sie es wollte. Verdiente? Sie verstanden beide, was hier ablief.
Mit ein paar Schritten war er bei ihr, überbrückte die Entfernung zwischen ihnen mit ein paar schnellen Bewegungen, beinahe lautlos dank der weichen Sneaker, die er trug. keine Boots, deren tritt man auf den Asphalt hörte. Die den Träger ankündigten. Plötzlich, ohne noch großartig Worte zu verlieren. Geredet hatten sie schon genug. Stand er vor ihr und grinste, sah ihr direkt in die Augen, kaum Abstand zwischen ihnen beiden. Vielleicht gerade noch für ein Stück Papier. Oder auch nicht.
"Honey..." wechselte er die Anrede so wie sie. Komplimente gab man schließlich zurück. Honey, Honig, süß und golden wie die Pfirsiche, die er an ihr roch. Kein Zweifel, warum er sie so nannte, so wenig wie bei ihr. "...sagtest du nicht gerade eben noch, man solle vorsichtig sein, mit dem, was man sich wünscht?"
Er zog sie auf und ließ doch nicht in Unklaren, dass sie nun mit den Konsequenzen leben musste. Mit diesem Tonfall, der irgendwo zwischen einer ganzen Menge Spaß und Herausforderung schwankte. Nein, beides verband. Diese Wünsche mussten schließlich nicht ausgesprochen werden. Man konnte sie auch anders kundtun. Provokation war zum Beispiel ein probates Mittel, um verstanden zu werden. Quod erat demonstrandum.
Dann holte er sie ohne weitere Warnung von den Füßen. Ging nur ein kleines Stück in die Knie und legte sie sich über die Schulter. Dass sie sich dabei mit den Händen in den Taschen nicht wirklich gut wehren konnte und er sie dabei hervorragend an dem vorher so appetitlich präsentierten Körperteil festhalten konnte waren nur zwei von diversen Vorteilen. Er sollte sich holen, was er wollte? Bitte! Dass er sie mühelos tragen konnte hatte er ja vorher schon bewiesen. Und jetzt würde wer wohl nicht mehr so ohne weiteres verzichten. Vielleicht doch kein ganz so guter Junge?
Er trug sie die paar Schritte ins Gebäude hinein, in einem von einem gedimmten Nachtlicht erhellten Flur und achtete bei aller Energie, die er plötzlich an den Tag legte, sehr wohl darauf, dass sie sich nirgends weh tat. Zwei weitere Türen führten vermutlich in den vorderen Gebäudeteil, während dieser Raum sich über einen Gutteil de Länge des hinteren erstreckte. Die Tür nach draußen beförderte er blind mit einem Fußtritt ins Schloss. Viel war ansonsten hier nicht zu sehen, eine Garderobe an der Wand, ein paar Laufschuhe auf dem Boden darunter. Eine Treppe führte nach oben in den ersten Stock und eben diese trug er sie jetzt hinauf, immer noch ohne ein Wort. Aber sein grinsen war förmlich zu spüren, auch wenn sie es nicht sehen konnte.
Hmm ja. Das hatte sie nun davon. Und nach oben ging es doch Richtung Himmel. Oder?